: Alles nicht so einfach
Türkei-Experte: Integration nicht einseitig einfordern. Türkische Gemeinde verteidigt Boykott des Gipfels
ESSEN/BERLIN epd/afp ■ Der Leiter des Essener Zentrums für Türkeistudien, Faruk Sen, hat auch von der deutschen Gesellschaft mehr Anstrengungen zur Integration von Migranten verlangt. Die „naive Sichtweise“ greife immer weiter Raum, dass die gesellschaftliche Integration eine rein individuelle Leistung der Zuwanderer sei und dass alles von ihrem Integrationswillen abhänge, erklärte Sen gestern. Dies sei ein Irrtum. Die Integrationsfähigkeit einer Gesellschaft hänge vor allem davon ab, ob kulturelle und ethnische Unterschiede als Chancen wahrgenommen werden.
Der Boykott des Integrationsgipfels von einigen muslimischen Verbänden sei notwendig gewesen, um auf die erst unter der derzeitigen Bundesregierung erfolgte Kehrtwende in der Zuwanderungspolitik aufmerksam zu machen, fügte Sen hinzu. Den auf dem Integrationsgipfel verabschiedeten Nationalen Integrationsplan bewertete Sen skeptisch. Er ändere an den gegenwärtigen Rahmenbedingungen nichts, auch wenn die Maßnahmen sinnvoll seien.
Die Türkische Gemeinde in Deutschland hat unterdessen ihren Boykott verteidigt. „Dadurch konnten wir unsere Kritik am Gesetz öffentlich machen“, sagte der Vorsitzende Kenan Kolat. Aber auch über die Kritik am Verhalten der türkischen Organisationen werde nachgedacht: Die deutsche Gesellschaft sei nun einmal eine Konsensgesellschaft.
Die Bundesregierung streitet derweil weiter über geeignete Maßnahmen zur Eingliederung von Zuwanderern. Sebastian Edathy (SPD) forderte ein kommunales Wahlrecht für lange hier lebende Ausländer. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) lehnte dies ab.