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Archiv-Artikel

Mehr Platz im Kerker

Die Zahl der Häftlinge im Abschiebeknast Grünau ist stark zurückgegangen. Auch die Bedingungen der Haft sind besser geworden. Abschiebungen allerdings gab es 2006 mehr als im Jahr davor

VON FELIX LEE

Wer hätte das gedacht. Aus Grünau gibt es auch mal etwas Erfreuliches zu berichten. Mitte Juni zählte das Berliner Abschiebegefängnis in dem Stadtteil Köpenicks insgesamt 66 Insassen, davon 59 Männer und sieben Frauen. Damit hat sich die Zahl der Inhaftierten innerhalb eines Jahres mehr als halbiert: Im Mai 2006 saßen hier noch knapp 140 Menschen ein. „Immer weniger Menschen sitzen in Abschiebehaft“, resümierte der innenpolitische Experte der Grünen, Benedikt Lux. „Da muss man die Innenbehörde auch mal loben dürfen.“ In den Jahren zuvor hatte die Zahl der Häftlinge häufig bei über 250 gelegen.

Doch diese Zahl ist nicht die einzige erfreuliche Nachricht. Auch die durchschnittliche Verweildauer ist deutlich zurückgegangen. Im Schnitt seien acht von zehn Insassen bis zu einem Monat im Abschiebegewahrsam, die rechtlichen zwischen zwei und sechs Monaten, teilte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) auf eine Parlamentarische Anfrage der Grünen mit. Nur in Ausnahmefällen hätten die Häftlinge bis zu einem Jahr auf ihre Abschiebung gewartet, so der Senator. Vor einem Jahr mussten die Inhaftierten noch durchschnittlich 45 Tage in Abschiebegewahrsam sitzen. Minderjährige säßen derzeit gar nicht ein. Auch die Zahl der über 60-jährigen Häftlinge sei von zehn im Jahr 2005 auf zwei bisher in diesem Jahr erheblich gesunken.

Martin Stark vom Jesuiten Flüchtlingsdienst bestätigt diesen Trend. Die Haftbedingungen hätten sich erheblich verbessert, sagte Stark der taz. Ausreißer mit einer Haftzeit von über zwölf Monaten habe es anders als in den Vorjahren in letzter Zeit nicht mehr gegeben. Die kürzere Verweildauer gehe einher mit der zurückgehenden Zahl der Häftlinge. Je weniger Flüchtlinge im Knast, desto schneller könnten die Behörden die einzelnen Fälle bearbeiten, sagte der Pater und Leiter des Jesuitenordens.

Noch bis zum vergangenen Jahr stand die Berliner Ausländerbehörde wegen ihrer restriktiven Auslegung des Ausländerrechts massiv unter Beschuss. Unterschiedliche Flüchtlingsinitiativen und Wohlfahrtsverbände hatten im Mai 2006 in einem Papier die „noch nicht ausreichend auf Haftvermeidung ausgerichtete Arbeit der Ausländerbehörde“ kritisiert. So seien viele Menschen unnötig lange in Haft gehalten worden, obwohl ihre Abschiebung, etwa wegen fehlender Papiere, nicht möglich war, darunter auch Schwangere und viele Minderjährige. Die Initiativen kritisierten zudem die ihrer Meinung nach miserable ärztliche Versorgung und die zum Teil unerträglichen hygienischen Bedingungen. Vor allem die Gefängnisseelsorger nannten als Missstand die geringe Zahl der Sozialarbeiter und die fehlenden Arbeitsmöglichkeiten. Noch im Jahr 2005 wurden zehn Selbsttötungsversuche registriert. Diese Zahl ist laut Innenverwaltung in diesem Jahr auf zwei zurückgegangen.

Eine völlige Kehrtwende in der Ausländerpolitik kann der Grünen-Abgeordnete Lux allerdings nicht erkennen. Die Zahl der Abschiebungen 2006 hat sich im Vergleich zum Vorjahr von 534 auf 657 erhöht. Lux: „Berlin kann immer noch weit mehr Menschen hier behalten.“