AM ALEX : Rad in der Menge
Wir sind mit dem Rad unterwegs durch die nächtliche Stadt. Wir überqueren den Alexanderplatz, quetschen uns an den Weihnachtsmarktbuden vorbei, ohne dabei vom Fahrrad zu steigen. Mir ist noch gar nicht weihnachtlich zumute.
Wir nehmen den Weg durch den wie immer etwas überfüllten Durchgang zur Karl-Liebknecht-Straße. Mein Mann fährt zügig durch die Menge, ich versuche an ihm dranzubleiben. Plötzlich stoße ich mit einer Skateboard fahrenden Bulldogge zusammen. Ich mache eine Stoßbremsung und falle beinahe vom Fahrrad.
„Entschuldigung“, sage ich. Eigentlich darf man hier nämlich nicht mit dem Fahrrad fahren. Die Bulldogge ist auch stehen geblieben. Ein Bein auf dem Skateboard blickt sie mich aus rot unterlaufenden Augen an. Ich schaue mich nach Hilfe um und merke, dass ich von ungefähr zwanzig Handykameras gefilmt werde.
Die hätten jetzt gern, dass mir die Töle an die Gurgel springt, schießt es mir durch den Kopf. Das tut sie aber nicht. Sie dreht sich um, steigt mit zwei oder drei Beinen auf das Skateboard und fährt davon in die andere Richtung. Die Handykameras folgen der Bulldogge. Mein Mann steht am Ende des Durchgangs und hat davon nichts mitbekommen.
Auf der Karl-Liebknecht-Straße biegt vor uns ein Fiat Uno ab. Die Eltern meiner Freundin Katrin hatten so ein Auto, als wir Teenager waren. Auf dem Nummernschild steht als letzter Buchstabe ein H. Das H bedeutet, dass der Wagen ein alter, ein historischer Wagen ist.
Die letzten zehn Jahre habe ich mich damit abgefunden, dass die Fußballer ab jetzt immer jünger sein werden als ich, aber dass Autos aus meiner Jugend jetzt zu den Oldtimern zählen, hatte ich noch nicht auf dem Schirm. Hinter meinem Namen müsste man ab jetzt eigentlich auch ein H machen, denke ich.
MAREIKE BARMEYER