: Häftlinge sollen früher ins Bett
Eine Studie im Auftrag des Senats empfiehlt, Häftlinge früher einzuschließen. So könnte Personal in den Gefängnissen gespart werden. Die Untersuchung stellt außerdem Mängel bei der Betreuung fest
VON FELIX LEE
Für das Wachpersonal in Berliner Gefängnissen könnten demnächst schwere Zeiten anbrechen. Denn ein Großteil wird nicht mehr gebraucht. Dies geht zumindest aus einem Gutachten der Unternehmensberatung Kienbaum hervor, das im Auftrag von Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) erstellt wurde.
Kienbaum empfiehlt zu prüfen, inwieweit die Besetzung der Hofposten reduziert werden könnte. Ersetzt werden könnten sie durch zusätzliche Überwachungskameras. Das würde Personalkosten einsparen. Ebenfalls im Visier der Unternehmensberater: die Vollzugsbeamten, die auf Türmen stehen und Wache schieben. Ihre Besetzung könnte „auf das erforderliche Mindestmaß“ reduziert werden und ebenfalls durch technische Überwachungsanlagen ersetzt werden. Zudem schlägt Kienbaum vor, an Werktagen statt wie bisher um 22 Uhr bereits um 18 Uhr die Häftlinge einzuschließen. Auch das würde Kosten sparen.
Zu wenig Personal hingegen stellte das Gutachten bei der Betreuung der Häftlinge fest. So hätten Gruppenbetreuer der Jugendvollzugsanstalt Tegel angegeben, sich nur in 6 Prozent ihrer Arbeitszeit klassischen Betreuungsaufgaben wie Einzel- und Gruppengesprächen zu widmen. In 23 Prozent ihrer Arbeitszeit müssten sie stattdessen auf den Türmen Wache schieben. Dies sehe in anderen Anstalten ähnlich aus.
Überlegungen, die Wächter auf den Türmen abzuziehen, gebe es seit Mitte der 90er-Jahre, versichert die Sprecherin der Justizverwaltung, Barbara Helten. Ihre Verwaltung habe längst reagiert: Seit Jahresbeginn gebe es Bewegungsmelder. Nach einer entsprechenden Testphase könnten die Wachposten demnächst abgezogen werden. „Die Studie hat unser Vorgehen nur bestätigt“, sagte Helten.
Den angeblichen Mängeln bei der Häftlingsbetreuung widersprach Helten jedoch. Die Angaben beruhten allein auf der Selbsteinschätzung der Mitarbeiter. Die Zahlen seien zwar interessant, so Helten, entsprächen aber deswegen noch lange nicht der Realität. Die Justizverwaltung werde dies genau prüfen.
Viel mehr Sorgen bereite ihr der von den Gutachtern festgestellte hohe Krankenstand der Mitarbeiter. Die vielen Fehlzeiten seien dramatisch. „Da muss dringend etwas getan werden.“ Insgesamt zeigte sich Helten aber zufrieden mit den Ergebnissen der Studie. Kienbaum habe den Anstalten eine „gute Organisation und satte Personalausstattung“ bescheinigt und bestätigt, dass ein weiterer Personalabbau nicht zuzumuten sei, so die Justizsprecherin. „Das stärkt unsere Position in den Haushaltsberatungen.“
Der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, Dirk Behrendt, begrüßte grundsätzlich die Lösungsvorschläge der Studie. „Weniger Bewachung, mehr Betreuungsarbeit“ – das sei schon immer auch die Forderung der Grünen gewesen. In einigen Details habe er jedoch schon den Eindruck, die Berater hätten nicht im Blick, dass ein Gefängnis eben nicht eins zu eins zu vergleichen ist mit einem Unternehmen. Dazu gehöre der Vorschlag, die Schließung auf 18 Uhr vorzuziehen. „Nicht alles, was Personal einspart, ist auch sinnvoll für den Vollzug“, sagte Behrendt.