piwik no script img

Archiv-Artikel

Keine Geschenke für Kabul

AFGHANISTAN Neue Doppelspitze Aschraf Ghani/Abdullah Abdullah präsentiert sich in Brüssel, London und Berlin. Neue Hilfen kann sie aber nicht erwarten

In den letzten Monaten war Afghanistan mehrmals fast zahlungsunfähig

VON THOMAS RUTTIG

BERLIN taz | Nachdem er bereits Saudi-Arabien, China, Pakistan und einen Südasiengipfel in Nepal besucht hat, stellt sich der neue afghanische Präsident Aschraf Ghani nun auch seinen Sponsoren im Westen vor. Am Mittwoch besiegelte er in Brüssel ein bilaterales Sicherheitsabkommen mit der Nato, die auch nach Ende der Isaf-Mission zum Jahreswechsel mit auf 12.000 Soldaten reduzierter Stärke am Hindukusch vertreten sein wird. Ghanis Vorgänger, Hamid Karsai, hatte sich geweigert, dieses und ein ähnliches Abkommen mit den USA zu unterzeichnen. Ghani holte das gleich zu Beginn seiner Amtszeit Ende September nach. Das Parlament stimmte inzwischen auch zu.

Noch am Mittwochabend flog Ghani nach London zur zwölften internationalen Afghanistan-Konferenz in den 13 Jahren seit dem Sturz der Taliban. Zunächst warb er vor Wirtschaftsvertretern um Investitionen. Für den ehemaligen Weltbank-Mitarbeiter und früheren Finanzminister ein besonderes Anliegen. Doch mit Geldspritzen der Regierungen über die Zusagen von 16 Milliarden Dollar bis 2016 hinaus, gemacht auf der Tokio-Konferenz 2012, wird nicht gerechnet. Ghani wollte zumindest drängen, dass die Gelder nicht erst zum Ende dieser Frist fließen. In den letzten Monaten war Afghanistan mehrmals fast zahlungsunfähig.

Die jetzige Besonderheit ist, dass Ghani mit seinem Partner, Quasi-Ministerpräsident Abdullah Abdullah, als Teil der neuen afghanischen Doppelspitze reist. Sie ist eigentlich nicht verfassungskonform, denn der afghanische Präsident ist nicht nur Staats-, sondern auch Regierungschef. Doch gab es wegen massivem Wahlbetrugs und institutioneller Fehlleistungen auch nach sechsmonatiger Neuauszählung kein unumstrittenes Ergebnis der Präsidentschaftswahl. Die USA vermittelten mit dem Ergebnis, beide irgendwie zu Siegern zu machen. Deshalb sprach Abdullah in London auch zur Konferenzeröffnung, während Ghani zum Abschluss sein Reformprogramm präsentieren sollte. Ein der taz vorliegender Entwurf sieht unter anderem vor, eine unabhängige Antikorruptionsbehörde mit zeitweiligen Strafverfolgungsrechten einzusetzen. Im neuen Korruptionsindex von Transparency International hat Afghanistan zwar den letzten Platz verlassen, aber eben nur gerade.

Eigentlich wollten Ghani und Abdullah mit neuen Ministern anreisen als Zeichen, dass ihr Reformprogramm nicht nur auf dem Papier steht. Ghani hatte versprochen, es werde nur neue Gesichter geben. Aber viele Verbündete Ghanis und Abdullahs, die von der Korruption unter Karsai profitiert hatten, drängen in wichtige Ämter und stemmen sich gegen Änderungen. Erste Zeichen hat Ghani aber schon gesetzt: Mächtiger neuer Kabinettschef ist Abdul Salam Rahimi, ein integrer Medienunternehmer und Verfechter der Pressefreiheit. Angesehene Nichtregierungsaktivisten und Menschenrechtler sind für sensible Ämter wie die des Bergbauministers und Generalstaatsanwalts im Gespräch.

Ghani tauschte bereits die zivilen und militärischen Behörden in 5 besonders unsicheren Provinzen aus. Der frühere Bundeswehrstandort Kundus erhielt schon einen neuen Gouverneur. Zudem löste Ghani nach der jüngsten Gewaltwelle in Kabul mit 12 Selbstmordanschlägen in 3 Wochen auch dort den Polizeichef ab. Letzte Station der Reise wird am Freitag Deutschland sein, nach den USA und Japan der drittgrößte bilaterale Geber.