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Archiv-Artikel

„Die Kritiker treffen lieber ihresgleichen“

Seitdem die Museen die Wünsche der Besucher stärker berücksichtigen, wächst der Zulauf. Kritiker fürchten die Verflachung der Inhalte – und die Aufgabe sozialer Exklusivität. Kommunikationswissenschaftlerin Julia Rombach über Bildung, Freizeitparks und Sinnsuche

Von GRÄ

JULIA ROMBACH, 30, Referentin der „Stiftung für Zukunftsfragen“ der Firma British American Tobacco und Autorin der Studie „Trendsetter oder Traditionshüter? Zur Zukunft der Museen“.

taz: Nach der von Ihnen in Auftrag gegebenen Studie sind 40 Prozent der Museumsinteressierten Akademiker. Ist der Moment gekommen zuzugeben, dass die in Museen gezeigte Kultur elitär geblieben ist?

Julia Rombach: Im Gegenteil haben die

Museen in den letzten Jahren sehr viel richtig gemacht. Sie sind unter den hochkulturellen Einrichtungen eindeutig Vorreiter, was den Abbau von Barrieren anbelangt. Nichtsdestotrotz ist der Bildungsgrad der Besucher sehr hoch – und da es zunehmend viele Abiturienten und Akademiker gibt, wird sich daran wenig ändern.

Sind zwölf Euro Eintritt, wie sie zum Beispiel die Hamburger Kunsthalle für eine Sonderausstellung verlangt, zu teuer?

Ich habe nicht den Eindruck, dass der Besuch vor allem am Geld scheitert. Zumindest sind die Freizeitparks, die einen horrenden Eintrittspreis verlangen, voll. Da ist eher die Frage, ob die Museen mit ihrem Angebot konkurrieren können.

Hat man ernsthaft genug versucht, den Zugang auch für Nicht-Bildungsbürger zu erleichtern?

Es gibt einzelne Museen, die sehr gute Arbeit geleistet haben, was die Vermittlung betrifft: Man ist viel interaktiver geworden und versucht die Leute stärker abzuholen. Das Publikum ist in den Mittelpunkt gerückt und man befragt die Leute erstmals nach ihren Wünschen.

War es Besucherschwund, der die Museen hat umdenken lassen?

Ein Anstoß war sicher, dass sich die öffentlichen Häuser um Besucher kümmern müssen, weil die die öffentlichen Zuschüsse legitimieren. Und zum anderen brauchen sie die zusätzlichen Gelder und sind auf der Suche nach Sponsoren. Aber natürlich hat auch der Kulturauftrag eine Rolle gespielt, die Frage, wie man die eigenen Inhalte vermitteln kann.

Bei den letzten Ausstellungen mit großem Besucherandrang wie der Moma-Ausstellung in Berlin hatte man nicht den Eindruck, dass der Erfolg in einem besonders ausgefeilten Konzept lag, sondern dass die großen Namen zogen.

Da wurde sicherlich sehr professionelle Pressearbeit geleistet, so dass man den Eindruck bekommen musste: Hier muss ich gewesen sein. Da war nicht nur die Bildungselite, sondern da wurden Betriebsausflüge hin gemacht. Was nicht das Schlechteste sein muss.

Das Interesse für Kunst war immer ein Mittel für Eliten, sich von anderen Gesellschaftsschichten abzusetzen. Wohin setzen die sich ab, wenn Hochkultur zum Massenphänomen wird?

Es gibt genügend Kritiker dieser Popularisierung, die lieber ihresgleichen treffen. Dabei ist es nach wie vor so, dass die Besucher ohnehin mit einem Museumsbesuch vor allem Bildung verbinden. Und im Idealfall haben sie auch noch Spaß dort.

Können die Museen mehr und andere Besucher anziehen und gleichzeitig der Komplexität der Inhalte gerecht werden?

Das kann durchaus gelingen, wenn man verschiedene Angebote für verschiedene Besuchergruppen macht, zum Beispiel durch Vorträge, die vertiefende Informationen liefern für diejenigen, die tiefer eintauchen wollen.

Bleiben die kleinen und mittleren Museen bei diesem Wettlauf um die Besuchergunst auf der Strecke?

Was in der öffentlichen Wahrnehmung kaum bemerkt wird: Es sind nicht die Kunstmuseen, sondern die eher kleineren Heimatkunde- und Volkskundemuseen, die die meisten Besucher anziehen. Nur zehn Prozent aller Museen sind Kunstmuseen.

Ist die Neuentdeckung des Museumsbesuchs Teil der viel beschworenen neuen Bürgerlichkeit?

Sicher spielt der Rückgriff auf alte Werte eine Rolle. Das zeigt sich auch in dem unglaublichen Verkaufserfolg der Buchreihen, mit denen Zeitungen wie die Süddeutsche Klassiker aus dem Bildungskanon vertreiben. Abgesehen davon konnte man nach dem 11. September eine grundsätzliche Veränderung in der Freizeitgestaltung beobachten: Seitdem geht es weniger um Konsum und stärker um Sinnsuche.

INTERVIEW: GRÄ