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Archiv-Artikel

Biertrinken geht auch ohne Künstler

Zukunftssenator Dräger droht Szenevierteln mit Vermarktung. Das soll junge Talente in unsere Hochschulen locken. Laut Roland-Berger-Studie gilt Hamburg als „tolerant und kreativ“, nur fehle noch die „Technologiebasis“

Bürgermeister Ole von Beust und sein Zukunftssenator in Spe, Jörg Dräger (parteilos), stellten gestern eine Studie zur geplanten „Talentstadt Hamburg“ vor. Dafür befragte die Firma Roland Berger 2.700 junge Leute in China, Russland, Deutschland und Polen nach ihren Vorlieben bei der Standortwahl und ermittelte den „Talentbedarf“ der Stadt. Aufgrund von Pensionierungen, Wachstum und Strukturveränderungen benötige die Stadt bis 2012 „bis zu 40.000 junge Leute“, sagte von Beust.

Nach dem Streit um zu geringe Masterplatz-Kapazitäten an der Uni beeilte er sich zu sagen, dass man dafür auch „heimische Talente“ nutze und „selbstverständlich, wenn die Masterstudiengänge so weit sind, deren Finanzierung gewährleisten wird“. Auf die Frage, ob nun nur für jeden vierten Studenten ein Masterplatz bleibt oder, wie der Asta fordert, die breite Mehrheit das Studium fortsetzen darf, antwortete von Beust nicht. Dies kläre man bis zum Herbst im „konstruktiven Gespräch“ mit der Uni, die jetzt „den Mut haben“ müsse, „Prioritäten zu setzen“.

Die müssten wohl im Technischen Bereich liegen, wenn man den Fingerzeigen der Berger-Leute folgt. Die attestierten Hamburg gute Wertungen im Bereich „Toleranz“ und „Kreativität“, aber einen „Nachholbedarf bei der Technologie“, wie Berger-Ökonom Björn Böhling erklärte. Unter mehreren Typen sei der „gründungsfreudige Innovator“ das am dringendsten benötigte Talent, dem in Hamburg aber „das letzte bisschen an technischer Dynamik“ fehle. Die gesuchten Talente erwarteten Flair, aber kein „extrem waberndes subkulturelles Leben“, brachte Böhling deren Ansprüche nüchtern auf den Punkt. „Nach dem Motto: Solange ich auf dem Schulterblatt mein Bier trinken kann, ist es nicht so wichtig, ob in den Lofts dahinter Künstler sind.“ Nutzen sollen die Künstler dennoch bringen: „Potentialkräftige, junge Kreativ-Viertel“ will der Senat identifizieren, fördern und anschließend „vermarkten“. Selbiges droht „Zentren der Off-Kultur“. Die Talente wollen laut Böhling pulsierendes Leben: „Mehr Beach Club als feines Restaurant.“ KAIJA KUTTER