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Archiv-Artikel

Kein Urlaub für arme Kinder

Söhne einer ALG II-Empfängerin bekamen keinen Zuschuss für eine günstige Ferienreise eines Abenteuerspielplatzes. Sozialamt zahlt nur noch für Klassenreisen, und auch nur alle drei Jahre

VON KAIJA KUTTER

Der Aktivspielplatz Altona-Nord ist in dieser Woche verreist. Die Betreuer sind mit 24 Kindern nach Goldensee nahe Ratzeburg gefahren. Es ist eine günstige Reise – für nur 65 Euro pro Kind. Für eine Mutter von zehnjährigen Zwillingen war auch dies zu viel. Da sie von ALG II lebt, sah sie sich nicht in der Lage, die 130 Euro für beide Kinder zu zahlen. Doch ihr Antrag bei der Hartz IV-Behörde (Arge) auf Kostenübernahme wurde abgelehnt.

Als Begründung zitiert die Arge eine Fachliche Vorgabe der Sozialbehörde, wonach nur Klassenreisen, aber keine „Projektfahrten außerschulischer Träger“ bezahlt werden. „Mit der Einführung von Hartz IV erfolgte eine Pauschalierung bisheriger Einzelleistungen“, erklärt Behördensprecherin Jasmin Eisenhut. Erholungsmaßnahmen seien nun „im Regelsatz inbegriffen“. Für Betreuer Stefan Daum ist diese Regel extrem praxisfern. „Die 65 Euro überschreiten das, was Hartz IV-Empfänger bezahlen können“, sagt er. Außerdem fielen bei Kinderreisen noch Anschaffungen wie Kulturbeutel an. Die Reise sei für viele Kinder die einzige Chance, aus ihrem Umfeld herauszukommen.

„Diese Fahrten haben für die Kinder eine wichtige pädagogische Bedeutung“, sagt Maria Kalde vom „Verband für offene Kinder- und Jugendarbeit“. Es sei immer schwieriger geworden, Zuschüsse zu bekommen, weil nur noch Klassenfahrten gefördert werden. Zu den Treffs der offenen Kinder- und Jugendarbeit kämen zudem häufig Kinder, die auf Klassenreisen nicht mitgenommen werden, weil sie als schwierig gelten. „Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Kinder auch noch in der Ferienzeit ausgegrenzt werden“, sagt auch die GAL-Jugendpolitikerin Christiane Blömeke. Sie fordert jetzt, die fachlichen Vorgaben so zu ändern, dass auch Ferienfreizeiten finanziert werden.

Für eine Änderung spricht auch, dass Klassenreisen seit der Einführung des umstrittenen Lehrerarbeitszeitmodells seltener wurden. Anspruch haben Kinder nur auf eine Reise in der Grundschule und zwei in den Klassen 5 bis 10. Wollen Schulen öfter reisen, dürfen sie Gesamtkosten von 200 Euro in der Grundschule, 250 Euro in den Klassen 5 und 6 und 300 Euro in den Klassen 7 bis 10 nicht überschreiten. Eine jährliche Fahrt ist da nicht mehr drin. Nur Klassen, in denen keine Sozialhilfeempfänger lernen, können sich über die Grenzen hinwegsetzen.

Dem hält die Sozialbehörde entgegen, dass Hamburg auf anderem Wege bereits jetzt allen Kindern aus einkommensschwachen Familien „zumindest einmal im Jahr“ eine Reise ermögliche. So wende die Stadt jährlich 1,75 Millionen Euro auf, um Gruppenreisen von Jugendverbänden und freien Trägern zu subventionieren. Jährlich nähmen 2.500 bis 2.600 Kinder und Jugendliche daran teil, sagt Sprecherin Eisenhut. Unter anderem bezuschusse das Jugenderholungswerk diese Reisen, so dass für die Eltern je nach Übernachtungsdauer nur zwischen 20 und 57 Euro zu zahlen seien. Der Aktivspielplatz Altona Nord habe zuletzt 2003 davon Gebrauch gemacht, berichtet Eisenhut: „Der Träger ist seitdem mehrfach darauf hingewiesen worden, vorhandene Fördermittel zu beantragen, und hat es nicht genutzt.“

„Das Jugenderholungswerk fördert in der Regel nur Reisen, die 14 Tage dauern“, hält Stefan Daum dagegen. Das komme leider aus personellen Gründen für den Aktivspielplatz nicht mehr in Frage. Außerdem bleibe für die Eltern auch dann noch ein beträchtlicher Eigenanteil. „Das können die nicht zahlen.“

„Wenn es Fördermöglichkeiten gibt, muss die Arge die Eltern darüber auch offensiv aufklären“, verlangt die grüne Arbeitsmarktpolitikerin Gudrun Köhnke. Denn 2.600 geförderte Kinder seien nicht viel bei über 60.000, die von Leistungen nach Hartz IV leben.

Die Zwillinge durften am Ende doch mit nach Goldensee – aber nur, weil andere Eltern gespendet hatten.

Eine Broschüre der Stadt über günstige Reisen gibt es unter www.jiz.de/pdf/ferienangebote