Berliner Platten
: Wenn der junge Mann überhaupt etwas wertschätzt, ist das doch die elektrische Gitarre: Laut/Leise-Übungen daran mit Siva, el Sumo und Beach

Die Liebe des jungen Mannes zur elektrisch verstärkten Gitarre ist die womöglich am besten dokumentierte Schwäche des starken Geschlechts. Immer wieder neue Generationen arbeiten sich in Horden ab an einem Instrument, das scheinbar niemals seinen Reiz zu verlieren scheint. Und mittlerweile ja auch ein erstaunliches Spektrum an Klangfarben zu bieten hat.

Siva beispielsweise schrammeln fröhlich drauflos und überlassen die offenen Akkorde ihrem Schicksal, dass sie immer mehr Raum einnehmen, bis die Gitarrenwand schließlich wie von selbst einstürzt. Stille folgt und dann beginnt der Neuaufbau, wieder und wieder. Der stets beliebte Laut/Leise-Widerspruch wird hier als Sisyphos-Arbeit noch einmal vorgeführt. Passend dazu sind die Songs auf dem Debütalbum des Quartetts, „The Story Is Complete, But I Think We’ve Lost The Book“, vor allem mittelschnelle Klagegesänge. Der junge Mann leidet gern und ausführlich, auf handwerklich allerhöchstem Niveau. Zudem ist die Stimme von Gitarrist und Sänger Andreas Bonkowski ähnlich mit Samt ausgekleidet wie die von Thom Yorke. Auch dessen Band Radiohead spielte gern mit den Extremen der Lautstärke. Siva werden von Berlin aus keine solche Weltkarriere starten, aber ehrliches Epigonentum muss weiter seinen Platz haben dürfen.

Auch an el Sumo ist er nicht vorbeigegangen, der nicht totzukriegende Reiz einer wie aus dem Nichts einsetzenden Gitarre. Der mag effekthascherisch sein, aber doch immer wieder wirkungsvoll. Vor allem auf der Bühne, auf die sich el Sumo eine ganze Weile beschränken mussten, weil sie in Vertragsstreitigkeiten verwickelt waren. Auf ihrem ersten Album „Was ewig schien.“ klingen die Gitarren nun weniger offen und verträumt als bei Siva, sondern viel konzentrierter und sauberer. Hier stand bisweilen amtlich abgesicherter Emo-Sound Pate, der gerade die Charts dominiert. Die Texte allerdings sind lange nicht so jammerig: Guillermo Morales berichtet zwar auch von seinem Innenleben, aber doch mit einem gesunden Abstand. Statt Tagebuch zu schreiben wird poetisch verklausuliert, sodass der empfindsame junge Mann hier ohne allzu große Weinerlichkeit zum Ausdruck seiner selbst kommt.

Auch Beach schütteln lange am Gitarrenhals, lassen die Saiten flirren und lauschen geduldig hinterher. Doch statt sich in herkömmlichen Rock-Vorgaben zu ergehen, wird auf „Play It To Death“ ein wenig experimentell vorgegangen. Kein Wunder, kommen sie doch aus dem Umfeld des sinnbus-Labels, wo Bands wie Kinn oder Seidenmatt an einem avantgardistischen Instrumentalgitarrenrock arbeiten. Beach aber singen und zwar Englisch, und ihre Ausflüge ins Atonale sind lange nicht so ausführlich wie bei den Label-Kollegen. Aber auch hier aufgelöste Songstrukturen, dann aber doch immer wieder Zitate von rockspezifischen Klischees, zum Beispiel der – Überraschung – gute alte Laut/Leise-Kontrast. So gesehen forschen auch Beach: und zwar daran, wie man die klassische Trio-Besetzung aus Gitarre, Bass und Schlagzeug noch weiterdenken kann, ohne den Rock ganz zu verraten. THOMAS WINKLER

Siva: „The Story Is Complete, But I Think We’ve Lost The Book“ (DevilDuck/Indigo), Release-Party heute, 22 Uhr, Roter Salon

el Sumo: „Was ewig schien.“ (PIAS/ Rough Trade)

Beach: „Play It To Death“ (Sinnbus/Alive)