Anti-Gelöbnis-Proteste
: Weg vom Nebenschauplatz!

Denken Sie bei der folgenden Frage bitte kurz nach: Gab es im Jahr 2006 Proteste gegen die Rekrutengelöbnisse im Innenhof des Bendlerblocks – oder nur vor zwei Jahren? Falls Sie es nicht mehr wissen, stehen Sie nicht allein. Das Interesse an der Störaktion schrumpft seit Jahren. Dafür eine gleichgültige Öffentlichkeit verantwortlich zu machen, greift zu kurz. Verantwortung dafür tragen auch die Macher der Proteste.

KOMMENTAR VON MATTHIAS LOHRE

Es ist erstaunlich: Einerseits wachsen die Bedenken gegen Verlängerungen und Ausweitungen von Militäreinsätzen selbst in der Bundestagskoalition. Die Bundeswehr soll wieder ihrem Beinamen „Parlamentsarmee“ Rechnung tragen. Andererseits scheinen die Gelöbnisgegner diese Chance für ihr Anliegen an sich vorüberziehen zu lassen. Selbst die „Kampagne gegen Wehrpflicht“ protestiert und pfeift seit vergangenem Jahr nicht mehr mit vor dem Bundesverteidigungsministerium. Auch sie hat erkannt: Ein zum Ritual geronnener Protest dient nur der Selbstvergewisserung jener, die ihn betreiben.

Zwar bleiben die Rekrutengelöbnisse am Ort der Erschießung Stauffenbergs und seiner Mitverschwörer geschmacklos. Motive und Charaktere der Hitler-Attentäter waren zu widersprüchlich, um als blitzsaubere Vorbilder für eine bundesdeutsche Armee herzuhalten.

Aber der jährliche Aufmarsch in Mitte ist eine Nebensache. Die größte Herausforderung für Militärkritiker sollte es sein, Einfluss auf die Entscheider zu gewinnen. Die sitzen in Parlament und Regierung und holen nötige Selbstzweifel nach: Wie weit darf die deutsche Beteiligung an Auslandseinsätzen gehen?

Die Abschaffung der Armee ist zwar in weite Ferne gerückt. Doch noch nie seit dem eiligen Ja der Schröder-Regierung zum Afghanistan-Einsatz standen die Chancen so gut, den Kurs deutscher Militärpolitik mitzubestimmen. Der Weg dorthin führt nicht über den Bendlerblock.