nebensachen aus cotonou : Ein Marabut im Gemüseladen
Morgens beim Gemüseeinkauf traf ich einen Marabut. Er saß vor dem Verkaufstisch der Frischkosthändlerin, als ob er zum Inventar gehörte, und aß einen Teller Bohnen mit Reis. Er war aber nur auf der Durchreise. Als Erstes sagte er mir, ich sei ein guter Mensch und hätte viel Erfolg zu erwarten. Er habe das sofort in meinem Gesicht gesehen. Wenn ich mehr wissen wolle, dann erzähle er mir gegen ein Entgelt die Details.
Ich überlegte mir, dass ich schon seit langem keine spirituelle Sitzung mehr hatte. Und eigentlich kommt man Afrika nur näher, wenn man sich auf die metaphysische Ebene einlässt. Das weiß jeder Afrika-Korrespondent, aber kaum einer tut es. Afrika ist der Kontinent der Spiritualität, der traditionellen Religionen. Eine Umfrage der BBC ergab vor einiger Zeit, dass Nigeria die religiöseste Nation der Erde sind. Hier, in der Republik Benin gilt die traditionelle Religion, auch „Vodoun“ genannt, sogar als offizielle Staatsreligion. Der 10. Januar wurde zum Vodoun-Feiertag erklärt, damit die Vodoun-Gläubigen einen Tag mit einem ähnlichen Status wie Weihnachten haben. Schreine und Götterskulpturen begegnen einem in unzähligen Höfen entlang der Straßen und Wege.
Marabuts lehnen sich an den islamischen Glauben an. Also begann mein Weissager mit einem Gebet aus dem Koran. Mohammed kam aus dem nördlichen Nachbarstaat Niger und wollte hier im Süden jemanden besuchen. Seine Dienste sollten mich 1.000 westafrikanische Francs kosten, umgerechnet 1,50 Euro. „Du hast ein reines Herz und keine bösen Gedanken“, sagte der Marabut nach dem Gebet. „Du wirst bald großen Erfolg mit deiner Arbeit haben und viel Geld verdienen. Auch Frauen liegen dir zu Füßen. Deine Feinde werden nicht gewinnen.“ Ich fragte, ob ich dafür etwas tun müsse. „Ich werde für dich beten“, antwortete er. „Aber du musst vorsichtig sein. Merkst du nicht schon jetzt, dass du immer mehr Wehwehchen bekommst? Und dass es mit den Frauen nicht mehr so geht wie früher?“
Seit ich am Strand wohne, viel Sport mache und immer bei meiner Gemüsefrau einkaufe, geht es mir eigentlich so gut wie nie – jedenfalls besser als die Jahre zuvor im kalten Deutschland. Aber natürlich bin ich nicht mehr Anfang zwanzig. Egal. „Viele werden neidisch auf dich werden“, sagte der Marabut. Aber er werde mir ein Mittel geben, das mir helfen werde. Das Puder werde mit Honig angemischt, und jeden Tag solle ich etwas davon lutschen. Und wenn ich ihm 20.000 CFA (rund 30 Euro), ein Radio und neue Kleidung kaufe, gebe er mir noch mehr Spezialmittel, schlug Mohammed vor. Ich lehnte erst einmal freundlich ab.
Hilfe von traditionellen Heilern und Marabuts anzunehmen, ist auch an der deutschen Botschaft nicht unüblich. Bei jedem großen Gartenfest werden ein paar von ihnen engagiert, um den Regen fern zu halten. Was der Bund der deutschen Steuerzahler oder der Bundesrechnungshof dazu sagen, dass traditionelle Heiler und Marabuts von deutschen Auslandsvertretungen bezahlt werden, mag dahin gestellt sein. Aus der lokalen Perspektive handelt es sich eher um eine Art Öffentlichkeitsarbeit. Denn wenn herauskäme, dass man nichts gegen den Regen unternommen hatte, würden alle sagen, man sei selbst Schuld. Mein Problem ist nicht der Regen, sondern das Pülverchen vom Marabut. Ich beabsichtige nicht, es mit Honig zu lutschen. Aber ehrfurchtslos wegschmeißen, geht auch nicht. HAKEEM JIMO