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Archiv-Artikel

Die Gentech Gegner

Sie kämpfen aus verschiedenen Gründen, doch das Ziel ist gleich: Die Felder sollen frei von Gentechpflanzen sein

DIE FELDBEFREIUNG

Knapp 500 Gentechnikgegner haben sich dieses Wochenende im Oderbruch getroffen. Als Abschluss des Camps mit Podiumsdiskussionen, einer Lesung, Gottesdienst und gentechnikfreier Küche zogen gestern rund 400 von ihnen in einer friedlichen Demonstration zu einem Maisfeld, auf dem die gentechnisch Veränderte Sorte MON 810 wächst. Ein großes Polizeiaufgebot begleitete den Zug mit mehreren Einsatzwagen und einem Helikopter.

Etwa auf der halben Strecke der geplanten Demonstration brachen rund 60 Teilnehmer aus dem Marsch aus und rannte über ein bereits abgeerntetes Feld auf das dahinter liegende Maisfeld zu. Die Polizisten verfolgten die Gentechnikgegner und hinderten sie teilweise daran, das Maisfeld zu betreten. Knapp 30 Demonstranten kamen durch, liefen durch den Acker und knickten die Maispflanzen ab. Nach eigenen Angaben befreiten sie dabei eine Fläche von 10.000 m[2]Mais. Mehrere Beteiligte wurden im Anschluss an die Aktion in Gewahrsam genommen, unter anderem Mitinitiator Michael Grolm.

Ebenfalls am Wochenende berichtete die Passauer Neue Presse, dass die Regeln für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen verschärft werden sollen. Danach soll der Abstand zu Feldern mit gentechnisch veränderten Pflanzen beim ökologischen Anbau auf 300 Meter verdoppelt werden. Das Kabinett wird den Entwurf am 8. August beraten. TAZ/AP

AUS ALTREETZ PAULA SCHEIDT UND MARCO PRISKE (FOTOS)

DER INITIATOR: Michael Grolm, 35, Imker und Agraringenieur

Zum dritten Mal hat Michael Grolm das Aktionswochenende „Gendreck weg“ mitorganisiert. „Ich fürchte um meine Existenz, weil meine Kunden den Honig aus gentechnisch veränderten Pollen ablehnen.“ Wenn er auf dem Markt verkauft, wird er oft gefragt, wie es mit der Gentechnik im Honig sei. Einige seiner Imkerkollegen haben jetzt schon Probleme, weil sie ihren Abnehmern eine Verunreinigung von 0,0 Prozent nachweisen müssen. Dies können sie nicht mehr gewähren, wenn innerhalb eines Umkreises von zehn Kilometern Genmais angebaut wird.

Außerdem sorgt sich der ausgebildete Agraringenieur um Sortenvielfalt beim Mais, wenn sich wenige Maissorten von einzelnen Konzernen durchsetzen. Unterschiedliche geografische Lagen und kulturelle Bedürfnisse weltweit erforderten aber Sortenvielfalt und seien notwendig, um das Überleben der Menschheit zu garantieren.

„Manchmal muss man Grenzen überschreiten, wenn sie dem Wohl der Menschen dienen“ sagt er mit Blick auf die Feldbefreiungsaktion. Viele Menschen würden ihn bestärken, die Bevölkerung sei auf seiner Seite. Das Ziel der Aktion sei erreicht: „Man nimmt uns ernst und unsere Aktion weckt die gewünschte positive Aufmerksamkeit bei der Bevölkerung und den Politikern.“

Da kann ihn auch eine Klage der Arbeitsgemeinschaft der gentechfreundlichen Landwirte „InnoPlanta“ nicht einschüchtern. Diese hatte im Namen der betroffenen Bauern eine einstweilige Verfügung gegen Grolm als Initiator der Feldbefreiung erwirkt. „Ich bin nicht bereit, eine Geldstrafe zu bezahlen, ich halte unsere Aktion für legitim. Notfalls gehe ich in den Knast.“

DER WISSENSCHAFTLER: Peer Urbatzka, 33, Universität Kassel

Friedlicher Protest, Unterschriftenaktionen, Podiumsdiskussionen: Alles schön und gut, meint Peer Urbatzka. „Und man kann damit auch eine Menge bewirken. Aber es reicht nicht mehr“, sagt der Forscher für ökologische Agrarwissenschaften an der Uni Kassel. Es wird das erste Mal sein, dass der 33-Jährige an einer Feldbefreiung, die andere „Feldzerstörung“ nennen, teilnimmt.

Er kommt aus privaten Gründen. „Die Politik macht meiner Ansicht nach nicht genug, um den Ökolandbau, aber auch die konventionelle Landwirtschaft vor Gentechnik zu schützen“, sagt der Wissenschaftler. Im Gegenteil: Gentechnisch veränderte Pflanzen dürfen ja bereits angebaut und vermarktet werden. Und dass eine Pflanze wie MON 810 neben herkömmlichem Mais wachsen kann, ohne dass es zu Verunreinigungen kommt, daran glaubt Urbatzka nicht. „Eine Koexistenz wird nicht funktionieren“, sagt er.

In der Bevölkerung lehnten 80 Prozent Gentechnik bei Lebensmitteln ab. Deshalb sieht er die Notwendigkeit, zu radikaleren Mitteln greifen: „Ich werde versuchen, auf das Feld zu kommen.“ Sorgen vor Strafen hat er nicht: „Die würde ich im Fall des Falles zahlen.“ Außerdem beruft er sich auf den rechtfertigenden Notstand: Man dürfe kleinere Übel verursachen, um größere abzuwehren.

In diesem konkreten Fall bedeute das: Die finanziellen Einbußen für den Bauern, dem das Feld gehört, in Kauf zu nehmen, um damit die Einführung der Gentechnik in der praktischen Landwirtschaft zu verhindern. Eines steht für den Gentechnik-Gegner aber trotz seiner klaren Positionen fest: „Im Gespräch sollte man immer bleiben.“

DER VATER: Jörg Rohwedder, 39, Betriebswirt, mit Ole und Lasse

Über 90 Prozent der Lebensmittel kauft Jörg Rohwedder im Bioladen. Ihm geht es um „Gesundheit, Geschmack und Verantwortung“. Außerdem will er sicher sein, dass keine Gentechnik auf den Teller kommt. Seine Kinder sollen sich schließlich gesund ernähren.

Doch es sind nicht nur die Sorgen um seine Familie, die Rohwedders Widerstand gegen die Gentechnik wecken. Die Folgen der Gentechnik sind unkontrollierbar, sagt er. „Und warum soll unsere Gesellschaft ein solches Risiko in Kauf nehmen.“

Denn auch die Argumente der Gentechnik-Befürworter überzeugen ihn nicht. Zum Beispiel, wenn sie das Ende des weltweiten Hungers versprechen. Wer die Armut bekämpfen will, der solle keine neuen Abhängigkeiten schaffen, findet Rohwedder. Und auch Schädlinge, die oft ganze Ernten vernichten, ließen sich mit anderen Methoden bekämpfen. „Wenn mir jemand überzeugende Argumente für Gentechnik liefern könnte, dann würde ich meine Meinung überdenken.“ Aber daran, dass solche Argumente noch auftauchen, glaubt er nicht.

Beim „Gendreck-weg“-Wochenende ist Rohwedder in diesem Jahr zum ersten Mal. Im vergangenen Jahr hatte er von der Aktion gehört, diesmal wollte er dabei sein. Doch das Engagement hat Grenzen. An der eigentlichen Feldbefreiung will er sich nicht beteiligen. Eine mutige Aktion, ohne Frage. Und mindestens so berechtigt wie die Sitzblockaden gegen Castortransporte. Bei denen hat er auch schon mitgemacht.

Aber diesmal muss er sich um seine beiden Söhne kümmern. Und das geht nicht, wenn er von der Polizei in Gewahrsam genommen würde.

DIE CHRISTIN: Dietlind Schöler, 51, Kindergärtnerin aus Osnabrück

Nein, selbst auf das Feld stürmen möchte Dietlind Schöler nicht. Dennoch unterstützt sie die Feldbefreiungsaktion. Sie verteilt Informationsbriefe an die Dorfbevölkerung, gestaltet den Gottesdienst am Sonntagmorgen vor der Feldbefreiung mit. „Es herrscht eine tolle Atmosphäre auf dem Camp, der Zusammenhalt wird gefördert – das ermutigt, weiterzumachen.“ Und jeder würde sich bei dem Aktionswochenende auf seine Weise am Protest beteiligen.

Dietlind Schöler liegt vor allem „der Erhalt der Natur am Herzen“. Sie ist schon als Kind immer gern draußen gewesen und freut sich „an jeder Blume“. Der Einsatz von Gentechnik könnte die Zahl der Insekten stark verringern und das Bodenleben schädigen, fürchtet sie. „Die Natur wird dadurch arm.“

Für Gentechnik interessiert sie sich, seit sie auf dem Rostocker Alternativgipfel einen Workshop von „Gendreck weg“ besucht hat. Was sie dort über Bienensterben und die mangelnde Bestäubung von Obstbäumen in der Nähe von Gentechnikfeldern erfuhr, hat sie „betroffen gemacht“. Außerdem habe sie auf dem Alternativgipfel einige Bäuerinnen aus Südamerika und Indien kennengelernt. Die hätten von Problemen mit dem gentechnikveränderten Saatgut erzählt. Daraufhin hat sie beschlossen, sich stärker zu engagieren – auf ihre Weise.

„Vor kurzem habe ich einen Artikel im Gemeindebrief meiner Kirche geschrieben und außerdem in der Gemeinde viel von dem Workshop erzählt.“ Auch im Kindergarten thematisiert sie die Artenvielfalt. Und der Bücherei in Osnabrück hat sie ein Buch über Gentechnik gespendet. Jetzt hofft sie, dass es oft ausgeliehen wird.