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Archiv-Artikel

Studivolk will gegen Elite aufbegehren

Die Asten wollen per Volksbegehren Studiengebühren verhindern. Ob es dazu kommt, entscheidet der Senat

Eigentlich haben es die Berliner Studierenden richtig gut: In der Landesverfassung ist der Zugang zur öffentlichen Bildung für jeden Menschen gesichert, der rot-rote Senat verspricht in seinem Koalitionsvertrag, keine Studiengebühren zu erheben, und die Präsidenten der drei großen Unis reißen sich darum, die exzellenteste Uni zu leiten. Und jetzt sind auch noch Semesterferien.

Schlechte Zeiten für den organisierten Protest gegen Elitehochschulen und Studiengebühren. Nachdem das Bundesverfassungsgericht 2005 das Verbot von Studiengebühren gekippt hatte, hatten die Studis noch in ganz Deutschland gestreikt. Weil der Senat gerade keine neuen Garstigkeiten plant, will im Moment keiner so recht auf die Straße gehen. Statt Präsidentenbüros zu besetzen und Autobahnen zu blockieren, greifen die Protest-Routiniers vom „Berliner Bündnis für Solidarität und freie Bildung“ daher zu zivileren Methoden: Per Volksbegehren wollen sie die Politik auf ihre Forderungen verpflichten.

„Unser Ziel ist es, den Status quo zu bestätigen und Studiengebühren langfristig zu verhindern“, sagt René Held vom Ref-Rat, dem Asta der Humboldt-Uni. Zwar hätten sich die Studienbedingungen seit den Wahlen zum Abgeordnetenhaus im vergangenen Jahr nicht wesentlich verschlechtert. „Ab 2008 diskutiert der Senat aber über ein neues Hochschulgesetz. Dann wird sich der Druck auf die Unis noch mehr verstärken“, befürchtet Held. Um dieser Gefahr vorzubeugen, haben sich über 50 hochschulpolitische Gruppen lose im Bündnis für freie Bildung organisiert, darunter die Asten, zahlreiche Fachschaftsinitiativen, Attac und die Jusos.

Das Verbot von Studiengebühren ist nicht die einzige Änderung, die eine erfolgreiche Volksabstimmung bewirken würde: „Wir wollen die Mehrheit der Professoren in den Gremien abschaffen“, erklärt Held. Stattdessen sollten künftig Studierende, wissenschaftliche und sonstige Mitarbeiter gleichberechtigt mitentscheiden können. Außerdem müssten alle Studis, die ihren Bachelor geschafft haben, auch Zugang zum Masterstudium erhalten.

In der Senatsverwaltung für Bildung möchte man sich nicht zu dem Volksbegehren äußern: „Über weitere Einzelfragen diskutieren wir zu gegebener Zeit, wenn über das neue Hochschulgesetz beraten wird“, sagt Pressesprecher Kenneth Frisse. Auch von der Humboldt-Uni gibt es keinen Kommentar: „Wir möchten das mögliche Volksbegehren nicht beeinflussen“, sagt Sprecher Thomas Richter.

Beim Bündnis für freie Bildung erhofft man sich indes eine Verschnaufpause von dem Referendum: „Wenn die Abstimmung erfolgreich ist, kann der Senat das Gesetz bis zum Ende der Legislaturperiode nicht mehr zurücknehmen“, meint René Held vom Ref-Rat, dem Asta der Humboldt-Uni. „Wir wollen die Zeit nutzen, um den Trend zu mehr Wettbewerb an den Hochschulen umzudrehen“, erklärt der Bündnis-Aktivist. Bislang habe man etwa 15.000 Antragsbögen verteilt. Wie viele davon unterschrieben wurden, sei nicht bekannt. „Wir sind aber zuversichtlich, dass bis Dezember die 20.000 nötigen Stimmen reinkommen“, sagt Held.

Danach müssen sieben Prozent der Wahlberechtigten in den Bezirksämtern für das Volksbegehren stimmen, das entspricht 170.000 BerlinerInnen. Erst dann kommt es zur Abstimmung über das Gesetz. Dabei reicht es nicht, wenn sich die Mehrheit für die Gesetzesänderungen ausspricht. Es muss zudem mindestens ein Viertel aller wahlberechtigten Berliner für die Bündnis-Vorschläge stimmen – das wären über 600.000 Menschen.

Womöglich gibt es jedoch selbst dann keinen Urnengang, wenn genügend Unterschriften zusammenkommen: Volksbegehren über Abgaben sind nämlich seit letztem Jahr gar nicht mehr möglich – die Berliner WählerInnen haben dies per Abstimmung selbst beschlossen. Unklar ist bisher, ob Studiengebühren als Abgaben gelten. „Über die Zulassung zum Volksbegehren muss der Senat entscheiden“, sagt Landeswahlleiter Andreas Schmidt von Puskás. Er dämpft auch die Hoffnungen der Aktivisten, dass mit einer erfolgreichen Abstimmung das Thema Studiengebühren endgültig vom Tisch sei: „Das Abgeordnetenhaus könnte im normalen Gesetzgebungsverfahren gleich wieder das Gegenteil verabschieden“, so Puskás.

SEBASTIAN KRETZ