: Luxusproblem Bundestag
MANDATSKÄMPFE Aydan Özoguz soll SPD-Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl werden. Bei der CDU dürfte mit Frank Schira oder Christoph Ahlhaus ein Prominenter verlieren
Bei der Bundestagswahl 2009 verlor die SPD erstmals ihre Spitzenposition in Hamburg an die CDU.
■ Landesliste: CDU 27,9 Prozent (2005: 28,9), SPD 27,4 (38,7), GAL 15,6 (14,9), FDP 13,2 (9,0), Linke 11,2 (6,3).
■ Wahlkreise: Parallel konnte die SPD nur drei der sechs Direktmandate in den Wahlkreisen verteidigen: Olaf Scholz in Altona, Hans-Ulrich Klose in Harburg-Bergedorf und Johannes Kahrs in Mitte. Erstmals erreichte die CDU drei Direktmandate mit Dirk Fischer in Nord, Jürgen Klimke in Wandsbek und Rüdiger Kruse in Eimsbüttel.
■ Listenabgeordnete: Das vierte SPD-Mandat ging an Aydan Özoguz, das vierte der CDU an Marcus Weinberg. Die GAL erhielt zwei Listenmandate für Krista Sager und Manuel Sarrazin, die FDP zwei für Burkhard Müller-Sönksen und Sylvia Canel, die Linke, eines für Jan van Aken.
VON SVEN-MICHAEL VEIT
Aydan Özoguz soll Spitzenkandidatin der Hamburger SPD bei der Bundestagswahl werden. Das ist nach taz-Informationen der innerparteiliche Stand nach ersten Sondierungen in der Führungsriege. Damit wäre die 44-jährige Tochter türkischer Eltern, die seit 2009 für den Wahlkreis Wandsbek im Bundestag sitzt, die erste Politikerin mit Migrationshintergrund, die eine SPD-Liste in einem deutschen Bundesland anführt. Der erste Rang ist neu zu besetzen, weil der Spitzenkandidat von 2009, Olaf Scholz, als Erster Bürgermeister in Hamburg nicht wieder für den Bundestag kandidiert.
Obwohl die Wahl erst in zwei Jahren stattfindet, hat vor allem in SPD und CDU hinter den Kulissen bereits das Taktieren begonnen. Dabei könnte es auch für einst mächtige Politiker böse Überraschungen geben. Für den Bundestagsabgeordneten und früheren Hamburger SPD-Parteichef Ingo Egloff könnte es eng werden, bei der CDU werden Ex-Parteichef Frank Schira und Ex-Bürgermeister Christoph Ahlhaus heftig um ein Mandat in Berlin kämpfen müssen.
Nach der sozialdemokratischen Kleiderordnung liefe die Spitzenkandidatur eigentlich auf den Parteirechten Johannes Kahrs hinaus, der seit 1998 vier Mal in Folge das Direktmandat im Wahlkreis Hamburg-Mitte errang. Der 47-Jährige wäre 2013 der dienstälteste Abgeordnete, weil Hamburgs Ex-Bürgermeister Hans-Ulrich Klose nach drei Jahrzehnten Bundestag mit dann 76 Jahren nicht erneut kandidieren will.
Kahrs jedoch gilt der Parteilinken als nicht vermittelbar. Unter anderem halten viele ihn für den Drahtzieher im Konflikt um die Kandidatur in Eimsbüttel vor zwei Jahren. Damals hatte der Kahrs-Zögling Danial Ilkhanipour mit vermeintlich fragwürdigen Methoden den linken Abgeordneten Niels Annen ausgebootet – dann aber bei der Wahl das Direktmandat Rüdiger Kruse (CDU) überlassen müssen. Kahrs kommt also nicht in Frage.
Özoguz allerdings muss sich noch mit Egloff auseinandersetzen. Beide stammen aus dem SPD-Kreis Wandsbek, aber nur einer kann dort direkt kandidieren und auch den ersten Listenplatz schmücken. Die Lösung könnte sein, dass Egloff in den benachbarten Wahlkreis Hamburg-Nord ausweicht, der aus sozialdemokratischer Sicht zurzeit verwaist ist. „Dieses Luxusproblem wird gelöst“, sagt dazu einer, ohne den in der Hamburger SPD nichts läuft: „Beide werden einen Wahlkreis haben, und beide werden in den Bundestag kommen.“
An Kloses Nachfolge im Wahlkreis Harburg-Bergedorf sind zurzeit zwei Männer interessiert: der SPD-Vize und Harburger Kreisvorsitzende Frank Richter und der Wilhelmsburger Bürgerschaftsabgeordnete Metin Hakverdi. In Altona, dem bisherigen Wahlkreis von Scholz, erwägt die Kreisvorsitzende Melanie Schlotzhauer eine Kandidatur, aus Eimsbüttel dringen entsprechende Signale von Kreischef Milan Pein, dem vor zwei Jahren gescheiterten Niels Annen und erneut Ilkhanipour, wie die taz vor einer Woche enthüllte.
Etwas übersichtlicher geht es bei der CDU zu, dafür aber noch härter. Brisant wird die Lage vor allem, weil mit Schira und Ahlhaus zwei in Hamburg Gescheiterte aus der Bürgerschaft auf die ungleich besser besoldete Hinterbank im Bundestag drängen.
Das geht zu Lasten von Dirk Fischer und Jürgen Klimke. Fischer darf 2013 seinen 70. Geburtstag feiern und wird dann 33 Jahre Bundestagsabgeordneter gewesen sein. Ahlhaus, Vorsitzender im CDU-Kreis Nord, findet, dass Fischer dann für ihn Platz machen sollte. Ebenso soll der Wandsbeker Klimke dann mit 65 Lebens- und elf Bundestagsjahren den Stab an seinen Kreischef Schira weitergeben.
Aus heutiger Sicht gehen CDU-Parteistrategen nicht davon aus, 2013 auch nur ein einziges ihrer jetzt drei Direktmandate verteidigen zu können. Zudem rechnen sie überhaupt nur mit insgesamt drei Mandaten statt der aktuell vier. Unstrittig ist der Altonaer Bundestagsabgeordnete und frisch gewählte CDU-Landesvorsitzende Marcus Weinberg als Spitzenkandidat. Dahinter aber müssen Ahlhaus, Schira und der Eimsbütteler Kruse die Reihenfolge klären – hier dürfte der aus dem Sport bekannte „undankbare vierte Platz“ den Karriereknick bedeuten.
Noch recht gesittet geht es bei den anderen Parteien zu. Bei der GAL werden Ex-Senatorin Anja Hajduk Ambitionen nachgesagt, wie schon von 2002 bis 2008 wieder im Bundestag zu sitzen. Unwahrscheinlich ist indes, dass die mehrfache Spitzenkandidatin Krista Sager oder der zweite Abgeordnete Manuel Sarrazin für Hajduk Platz machen. Unwahrscheinlich ist aber auch, dass es für die Grünen zu einem dritten Mandat reichen könnte. Hier ist das Rennen noch offen.
Vollkommen offen ist das Schicksal von Linken und Liberalen, die ohnehin um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen müssen. Die Linkspartei ist mit ihrem Abgeordneten Jan van Aken sehr zufrieden, er hätte die eigene Basis weniger zu fürchten als die Wähler. Und für die FDP würde Burkhard Müller-Sönksen nur zu gern wieder nach Berlin.