: Die Richterin und die Staatsanwältin
Jeder macht seinen Job: In „Sisters in Law“ heften sich Florence Ayisi und Kim Longinotto zwei Juristinnen in Kamerun an die Fersen. Der Graswurzelfeminismus triumphiert, und Schuldige kommen hinter Gitter
Am Ende stehen die Richterin Beatrice und die Staatsanwältin Vera vor einer Klasse voller junger Jurastudenten und lassen Amina feiern. Aminas Fall hat uns den ganzen Film hindurch begleitet. Sie, eine Hausfrau aus dem Dorf Kumba in Kamerun, ist die Erste im Land, die gegen das islamische Recht ihre Scheidung durchgesetzt hat. Ihr Mann hatte sie bedroht, geschlagen und vergewaltigt, und obwohl nicht einmal ihre eigene Familie zu ihr hielt, hat sie mit der Hilfe der beherzten Richterin und der Staatsanwältin gesiegt. Man ist ergriffen vom Stolz im Gesicht Aminas, man spürt, dass hier ein Meilenstein des Frauenrechts dokumentiert wurde.
„Sister in Law“ ist ein unaufgeregter, kleiner Film. Er handelt von zwei resoluten Frauen im Kampf um das Selbstverständlichste, das in Wohlstandsgesellschaften wie unseren mitunter aus dem Blick geraten ist. Man ist erstaunt, wie wenig plötzlich noch kulturelles Befremden auf Seiten des westlichen Zuschauers eine Rolle spielt. Nach wenigen Minuten sind einem Beatrice und Vera ans Herz gewachsen, und es wundert kaum, dass „Sisters in Law“ von Florence Ayisi und Kim Longinotto schon auf vielen Filmfestivals Preise gewonnen hat.
Berühmt geworden ist die 1952 geborene Dokumentarfilmemacherin Kim Longinotto in den Neunziger für ihre Filme, die von Frauen in Japan erzählen. Diese haben in ihren ausdifferenzierten, urbanen Subkulturen längst die Grenzen des Geschlechts untergraben. „Shinjuku Boys“ etwa erzählt die Geschichte von weiblichen Prostituierten, die als Männer leben, und „Gaea Girls“ schaut Ringerinnen über die Schulter. Mit „Sisters in Law“ allerdings schließt Kim Longinotto an ihre Dorffilme an, die den Kampf von Frauen für Gerechtigkeit in ländlichen, theokratisch geprägten Gesellschaften schildern. In „The Day I Will Never Forget“ ging es um ein Mädchen, das wegen der Beschneidung ihrer Klitoris gegen ihre Eltern klagt; „Divorce Iranian Style“ handelt, wie der Titel schon sagt, von einer Scheidung in einem Land, das keine Scheidungen vorsieht.
Wie in „Divorce Iranian Style“ bezaubert auch „Sisters in Law“ durch genaue Beobachtung, die Einfachheit der Geschichte und weitestgehende Zurückhaltung der Regisseurinnen. Dadurch treten die beiden Heldinnen Beatrice Ntuba und Vera Ngassa übermenschengroß in den Vordergrund: Ihr Verständnis für die Strukturen, in denen sie sich bewegen, ihr schlagender Graswurzelfeminismus, ihre moralische Überlegenheit, ihr Pragmatismus und ihre beißende und durchaus humorbegabte Kritik an patriarchalischer Arroganz und dem Glauben, dass man Mädchen für 120 Euro und ein Schwein kaufen kann.
„Sisters in Law“ begleitet über drei Monate hinweg drei Fälle, die Beatrice und Vera verhandeln: Neben Amina bringt ein Mann ein sechsjähriges Mädchen zum Gericht, das er auf der Straße aufgesammelt hat, weil es von seiner Tante geschlagen wurde, und eine Teenagerin beschuldigt ihren Nachbarn, sie vergewaltigt zu haben.
In allen drei Fällen triumphieren Beatrice und Vera und bringen die Beschuldigten hinter Gitter. Auch, wenn man sich sonst dagegen sträubt zu glauben, dass das wahrheitsliebende Kino objektive Wahrheiten einzufangen vermag, dass Kameras unsichtbar werden können und die Anwesenheit eines westlichen Filmteams an Strukturen wie diesen nichts verändert: In einem Interview hat Kim Longinotto berichtet, wie ihre Heldinnen sie nie über den Film ausgefragt, einfach ihren Job gemacht haben und die Regisseurinnen ihren haben machen lassen. Kim Longinotto und Florence Ayisi haben zu einem bewährten Trick gegriffen: In Vera und Beatrice haben sie Heldinnen gefunden, die gleichermaßen zu Hause sind in der Logik des Dorfs wie im modernen Ideal der Gleichstellung. Sie haben bereits selbst den fremden Blick auf ihre Umgebung eingenommen. So sind sie nicht durch ein Filmteam aus der Ruhe zu bringen.
SUSANNE MESSMER
„Sisters in Law“: fsk Oranienplatz, Hackesche Höfe und Neues Kant