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Archiv-Artikel

Meere sterben den Düngerkollaps

Nicht nur auf dem Land breiten sich die menschengemachten Wüsten aus. Auch die Todeszonen im Meer nehmen zu – im Golf von Mexiko auf ein neues Rekordausmaß. Die größten leblosen Bereiche gibt es aber in der Ostsee. Hilfe ist möglich, aber fern

von BEATE WILLMS

Ganz sachlich könnte man von einem „ökologischen Notstand“ sprechen. Meeresbiologen haben längst einen deutlicheren Begriff gefunden: Sie sprechen von „Todeszonen“: riesigen Gebieten in den Meeren, in denen es keinen Sauerstoff und so auch kein Leben gibt. Das Einzige, was hier wächst, ist die Zone selbst. Die Todeszone im Golf von Mexiko etwa dürfte sich in diesem Jahr über mehr als 22.000 Quadratmeter ausdehnen. Das ist mehr Fläche als das Bundesland Hessen oder Sachsen-Anhalt. Damit hätte sich die Zone seit Beginn der 1990er-Jahre verdoppelt. Mehr als dreimal so groß ist bereits das tote Gebiet in der Ostsee. „Und man kann davon ausgehen, dass das in den nächsten Jahren noch schlimmer wird“, sagt Christiane Feucht.

Mit dieser Einschätzung steht die Ostsee-Expertin beim World Wide Fund for Nature (WWF) in Stralsund nicht allein. Weltweit beschäftigen sich Meeresbiologen und andere Experten mit der Ausweitung der anthropogenen Todeszonen. Denn während es in der Tiefsee schon immer sauerstoffarme Gebiete ohne Leben gab, ist die Ausweitung solcher Gebiete vor allem an den Kontinentalschelfen vor den Küsten der Industriestaaten menschengemacht.

Nach aktuellen Schätzungen des UN-Umweltprogramms Unep gibt es weltweit inzwischen mehr als 200 Zonen, aus denen sich die Fische und andere Meerestiere zurückgezogen haben. Ein Drittel davon liegt vor der US-amerikanischen Küste, aber auch in den Gewässern von Chile, Namibia, Südafrika, China, Japan oder Neuseeland sind Todeszonen entstanden. „Diese Gebiete finden sich immer dort, wo Einträge stattfinden und es nicht genug Bewegung im Wasser gibt“, sagt Greenpeace-Meeresexpertin Stefanie Werner. Also beispielsweise an Flussmündungen.

Ursache für den Kollaps des Ökosystems sind übergroße Mengen Nährstoffe wie Phosphate und Nitrate, die größtenteils vom Land her über die Flüsse, aber auch aus der Luft ins Meer gelangen. Dort bringen sie Algen und Cyanobakterien explosionsartig zum Blühen. Wenn diese Algenblüte aber abstirbt und zu Boden sinkt, decken die Überreste alles zu, es kommt zu regelrechten Gärungsprozessen, die den Sauerstoff aus dem Wasser verbrauchen und zugleich Schwefel freisetzen. Fische und Meerestiere, die nicht flüchten können, sterben.

„Jährlich werden rund 35.000 Tonnen Phosphor und über eine Million Tonnen Stickstoff in die Ostsee gespült“, sagt WWF-Expertin Feucht. Der Großteil stammt aus der Landwirtschaft, wo preiswerter Kunstdünger die Erträge steigern soll, aber längst nicht mehr vom Boden aufgenommen werden kann. Der überschüssige Dünger landet über Gräben und Flüsse im Meer. Das ist bei der Ostsee nicht anders als am Golf von Mexiko, in den der Mississippi die Phosphate und Nitrate schwemmt. „Das Volumen an Nährstoffen in dem Fluss hat sich in den letzten 50 Jahren verdreifacht“, schreibt Robert J. Diaz, Professor am Virginia Institute of Marine Science“, in einer Unep-Studie, die im vergangenen Herbst erschien. Verstärkt wird diese Tendenz in der Europäischen Union durch eine Agrarpolitik, die die Massenproduktion fördert, sagt Feucht. In den USA ist es vor allem die Entdeckung des Mais- und Rapsanbaus für die Produktion von sogenannten Biotreibstoffen.

Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Die Todeszonen sind nicht unumkehrbar. Als die Hummerfischerei im Kattegat zwischen Dänemark und Schweden vor 20 Jahren zusammenbrach, griff die dänische Regierung ein. Sie legte ein Programm auf, mit dem die Verschmutzung aus Landwirtschaft und Industrie reduziert und Feuchtgebiete auf dem Festland wiederhergestellt wurden, die einen Teil der überschüssigen Nährstoffe auf deren Weg ins Meer aus den Flüssen herausfiltern.

Ähnliches könnte der Ostsee-Aktionsplan leisten, den die Anrainerländer im Herbst beschließen wollen. Während die Bundesregierung, Schweden und Finnland das Projekt vorantreiben, blockiert ausgerechnet Dänemark Maßnahmen, die die Nitratzufuhr wenigstens auf das Maß reduzieren könnte, das die EU derzeit vorgibt. WWF-Expertin Feucht: „Eine zusätzliche EU-Phosphat-Richtlinie wird da sehr schwer durchzusetzen sein.“

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