: Umweltgifte belasten Ruhr und Möhne
Das NRW-Umweltministerium stellt in den beiden Flüssen erhebliche Mengen an perfluorierten Tensiden (PFT) fest
KÖLN taz ■ Auf der Möhne wird wieder kräftig geangelt. Und in Arnsberg wird auch schon seit längerem nicht mehr kostenlos Mineralwasser an Schwangere und Kleinkinder abgegeben. Ein Jahr nach Aufdeckung des PFT-Skandals scheint im Sauerland wieder alles seinen geregelten Gang zu gehen. Doch der Schein trügt. Denn zur Entwarnung gibt es keinen Anlass: Immer noch belasten erhebliche Mengen an perfluorierten Tensiden (PFT) die Möhne und die Ruhr. So geht aus Unterlagen des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums hervor, dass bei Proben an den Wasserwerken der Ruhr, dem wichtigsten Trinkwasserfluss des Ruhrgebiets, immer noch PFT nachgewiesen werden konnte. An etlichen Messpunkten, so berichtet die Welt am Sonntag, habe der Wert dabei deutlich über dem vom Bundesumweltamt als unbedenklich festgelegten Grenzwert von 100 Nanogramm je Liter gelegen. Aus dem Landesumweltministerium heißt es gleichwohl, es bestehe „keine gesundheitliche Gefahr“.
PFT werden wegen ihrer fett- und wasserabweisenden Eigenschaften in der Papier-, Leder- und Fotoindustrie, aber auch in der Metallverarbeitung eingesetzt. In Versuchen mit Ratten verursachten sie Krebs und Leberschäden. Greifbare Ergebnisse über die Gefährlichkeit für den Menschen gibt es indes bisher noch nicht. Fest steht jedoch, dass PFT so gut wie nicht abbaubar sind und sich im Körper und in der Muttermilch ablagern.
Im Frühjahr 2006 hatten Wissenschaftler der Universität Bonn bei einer Gewässeruntersuchung zufällig die hohen PFT-Belastungen in der Ruhr und in der Möhne entdeckt. Als Hauptverantwortlicher für die Verschmutzung gilt der inzwischen insolvente Düngemittelhersteller GW Umwelt aus Borchen bei Paderborn und dessen Tochterfirma Terra Vital aus dem thüringischen Bleicherode. Eine Sonderkommission der Bielefelder Polizei und die Staatsanwaltschaft ermitteln wegen Betrugs und verschiedener Umweltdelikte gegen den Geschäftsführer der beiden Firmen und zwei leitende Angestellten. Im April dieses Jahres war das Trio nach fast vier Monaten gegen Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen worden.
GW Umwelt und Terra Vital sollen über Jahre illegal PFT-verseuchten Industriemüll aus den Niederlanden und Belgien mit Mineralkalken vermischt und als Düngemittel deklariert haben. Die brisante Mischung wurde dann – teilweise gegen hohe Prämienzahlungen – an Bauern in Nordrhein-Westfalen, aber auch in Niedersachsen und Hessen verteilt. Nach Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt gelangte ebenfalls der ostwestfälische „Dünger“. PASCAL BEUCKER