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Archiv-Artikel

„Missingsch ist gemütlich“

VORTRAG Den Bremer Schnack, auch „Missingsch“ genannt, hört man immer seltener

Daniel Tilgner

■ 46, Lektor bei der Edition Temmen und Mitherausgeber der „Geschichte der Freien Hansestadt Bremen“

taz: Warum heißt der Bremer Schnack „Missingsch“?

Daniel Tilgner: Früher hat man nur Platt gesprochen. Als Hochdeutsch aufkam, mussten die einfachen Leute auch Hochdeutsch sprechen. Dabei sind sie häufig ins Plattdeutsche abgeglitten. Durch die Vermischung entstand das Missingsch.

Wann sprechen Sie das?

Wenn ich eine Weile in meinem Buch gelesen habe und wenn ich mit meiner Mutter spreche, da „kannste schlecht ohne zu“.

Sollte die Bremer Mundart in der Schule gelehrt werden?

Wenn überhaupt, dann nur mit viel Fingerspitzengefühl, vielleicht mal in einem Projekt. Aber auf keinen Fall als permanentes Unterrichtsfach.

Heute sind Fremdsprachenkenntnisse gefragt. Was soll man da mit Missingsch?

Mit Missingsch kann man unglaublich gemütlich reden und sich in einer Gruppe, die auch Platt schnackt, sehr gut zurechtfinden. Leider sprechen immer weniger Leute Missingsch.

Warum?

Das liegt an der Globalisierung. Die „Nabelreißidentität“ ist nicht mehr so geschlossen. Heute ist man sozial mobil, und vor allem konsumieren wir Massenmedien, in denen Hochdeutsch gesprochen wird.

Eine Heulsuse heißt „Blarrbüdel“. Woher kommt der Begriff?

Das „Blarr“ kommt von „Plärren“ und der „Büdel“ ist die Allzweckwaffe im Missingsch. Eigentlich ist damit ein Beutel gemeint, aber mit einem Substantiv vorweg kann es viele verschiedene Bedeutungen bekommen. Der „Tranbüdel“ kommt nicht in die Puschen, der „Sabbelbüdel“ quatscht ständig und der „Stinkbüdel“ sollte öfter Duschen.

Interview: Martin Stade

11 Uhr, Haus der Wissenschaft, Sandstr. 4