: Vier-Sterne-Hoffnung
In Braunschweig ist eine Immobilie in bester Lage zu haben: Ein Luxushotel wünschen sich die einen, eine Jugendherberge die anderen
VON KARIN CHRISTMANN
Luxushotel oder Jugendherberge – über diese Frage streiten sich derzeit die Parteien im Braunschweiger Rat. Es geht um ein Gebäude am Rande des Bürgerparks, das bis 2002 das städtische Freizeit- und Bildungszentrum (FBZ) beherbergte. Das FBZ wurde aus finanziellen Gründen geschlossen. Der verwaiste Bau liegt idyllisch zwischen grünen Wiesen und Bäumen, in der Nähe fließt die Oker, und die Innenstadt ist nur einen Steinwurf weit entfernt. Ein idealer Platz für ein Luxushotel – das finden die Stadtverwaltung und die Ratsmehrheit von CDU und FDP. Ein idealer Platz für eine Jugendherberge – das finden Teile der Opposition im Rat. Denn ein Luxushotel werde nicht gebraucht.
Mehr als ein Jahrzehnt lang hatte die Stadt vergeblich versucht, ein Spitzenhotel in Braunschweig anzusiedeln. Mit dem Standort Bürgerpark hat sie es jetzt geschafft, Investoren herbei zu locken: Die Buxtehuder Firma AVW Immobilien und das Hamburger Unternehmen Lukas Bauprojekte haben Interesse angemeldet und belastbare Absichtserklärungen abgegeben. Als Betreiber bringen sie Golden Tulip aus den Niederlanden und die Hotelkette Ramada Worldwide mit. Schon im September sollen die politischen Gremien erstmals über die Angebote befinden. Danach könnten konkretere Pläne geschmiedet und Verhandlungen begonnen werden. Teile der bestehenden Bausubstanz, vor allem der historische Wasserturm, sollen in das neue Luxushotel integriert werden.
Die grüne Ratsopposition sähe im Bürgerpark lieber eine Jugendherberge, denn momentan gibt es in der 240.000 Einwohner-Stadt keine einzige solche Einrichtung. Der Landesverband Hannover des Deutschen Jugendherbergswerks wäre über den Standort Bürgerpark begeistert. Aber auch der Alternativvorschlag der Stadt käme für ihn in Frage, sagt Geschäftsführer Norbert Dettmar: Statt am Standort des ehemaligen FBZ könnte die Jugendherberge auch auf einem Gelände an der Feuerwehrstraße, außerhalb des Innenstadtrings, gebaut werden.
Das neue Hotel soll Vier Sterne-Plus-Standard erreichen. Schon im Jahr 2009 soll es für große Veranstaltungen bereitstehen. Bisher steht allerdings erst ein einziges derartiges Ereignis im Terminkalender des noch nicht gebauten Hotels, nämlich der Deutsche Anwaltstag 2009 mit 1.200 bis 1.500 Teilnehmern. In der Tat hätten die Pläne für den Hotelneubau bei der Entscheidung für den Tagungsort Braunschweig den Ausschlag gegeben, sagt ein Sprecher des Veranstalters Deutscher Anwaltverein. Ob das Hotel an den anderen 362 Tagen des Jahres gebraucht wird, ist allerdings umstritten.
Die höchstklassigen Hotels, die bisher in Braunschweig stehen, sind mit vier Sternen ausgezeichnet. „Unsere Auslastungszahlen sind einfach nicht gut genug, um ein weiteres Hotel zu rechtfertigen“, sagt Leonore Stolte, die Geschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in Braunschweig und spricht von einer vierzigprozentigen Auslastung der höherpreisigen Hotels.
„Die Auslastungszahlen der Vier Sterne-Hotels sind kein Indikator, denn wir wollen den Kuchen nicht kleiner aufteilen, sondern vergrößern“, sagt hingegen Daniel Kreßner, Fraktionsvorsitzender der FDP im Rat, und hofft auf mehr Tagungen und mehr Städtetourismus im neuen Hotel. Deshalb ficht es ihn auch nicht an, dass manche der großen Braunschweiger Forschungseinrichtungen keinerlei Bedarf für eine neues Hotel sehen: Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung erlebt es „ganz, ganz selten“, dass im gewünschten Hotel keine Zimmer mehr frei sind. Tagungsräume hat das Zentrum ohnehin selbst.
Auch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt hatte noch keine Probleme, Räume zu mieten. Für die Technische Universität Braunschweig würden die Hotelzimmer tatsächlich manchmal knapp, sagt Mitarbeiter Reinhold Dobbernack, der die Braunschweiger Brandschutztage organisiert. Doch da viele Tagungsgäste aus dem öffentlichen Dienst kämen, müssten vor allem preiswerte Zimmer her.
Grüne und Linkspartei sehen deshalb schwarz und diagnostizieren: „Kein Bedarf.“ Und auch der FDP-Politiker Kreßner weiß, dass die Pläne auf Hoffnung gebaut sind: „Am Ende wird es der Wettbewerb entscheiden.“