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Archiv-Artikel

In der Gummizelle weggesperrt

Die russische Oppositionelle Larissa Arap wird in eine Murmansker Klinik zwangseingewiesen. Grund: ein kritischer Artikel über die Lage in der Psychiatrie

BERLIN taz ■ In Russland werden unliebsame Oppositionelle wieder in der Psychiatrie weggesperrt. Jüngster Fall: Larissa Arap, Journalistin und Aktivistin der oppositionellen „Bürgerfront“ von Garry Kasparow im nordrussischen Murmansk. Anfang des Monats wurde die 48-Jährige in eine psychiatrische Klinik zwangseingewiesen. Arap hatte in einem Artikel für die oppositionelle Zeitung Der Marsch der Unzufriedenen die Zustände in der Psychiatrie im Raum Murmansk angeprangert. Dort seien, so die Autorin, an Folter grenzende Gewalt, Elektroschocks und eine erniedrigende Behandlung an der Tagesordnung.

Am 5. Juli besuchte Larissa Arap die Klinik des Bezirks, weil sie noch ein Dokument für ihren Führerschein brauchte. Eine Ärztin, die in der Besucherin die Autorin des kritischen Artikels erkannte, verständigte sofort die Miliz. Mit Gewalt wurde Larissa Arap in die psychiatrische Klinik gebracht.

Kaum hatten Larissas Mann Dmitri und ihre Tochter Taisa von der Zwangseinweisung erfahren, fuhren sie in die Klinik, um mit der Ärztin zu sprechen. Doch niemand gab ihnen Auskunft. Am 7. Juli konnten die Angehörigen Larissa Arap kurz im Krankenhaus besuchen. Sie habe sich kaum auf den Beinen halten, keine zusammenhängenden Sätze sprechen können und habe in das Bett zurückgetragen werden müssen, sagte ihr Mann der „Bürgerfront“ in Murmansk. Zudem habe sie berichtet, dass ihr unbekannte Medikamente gespritzt worden seien. Die folgenden fünf Tage protestierte Larissa mit einem Hungerstreik gegen ihre Zwangseinweisung.

Am 24. Juli wurde Larissa Arap in die psychiatrische Klinik der Nachbarstadt Apatity, Gebiet Murmansk, verlegt. Diese Klinik, in der nur schwer psychisch Kranke behandelt werden, ist dafür bekannt, dass nur wenige Patienten jemals entlassen werden.

Gestern konnte Larissa das erste Mal seit zehn Tagen wieder telefonisch mit ihren Angehörigen Kontakt aufnehmen. Eine Murmansker Sprecherin der „Bürgerfront“, Elena Wasiljewa, sagte der taz, die Ärzte hätten Larissa Arap angedroht, sie noch lange in der Klinik behalten zu wollen.

Derweil bemühen sich Anhänger der „Bürgerfront“ in Murmansk, eine unabhängige Kommission ins Leben zu rufen, die den Fall Arap untersuchen soll. Erstmals hatte der Dissident Wladimir Bukowski im Jahre 1971 in seinem Buch „Opposition, eine neue Geisteskrankheit in der Sowjetunion?“ den Missbrauch der Psychiatrie in der UdSSR detailliert beschrieben. Dafür wurde er zu zwölf Jahren Haft verurteilt.

BERNHARD CLASEN