Der Faktor Mensch passt nicht rein

Unternehmen in West und Ost klagen über den Fachkräftemangel. Es gibt ein „Matching-Problem“ zwischen den gemeldeten Arbeitslosen und den Ansprüchen der Unternehmen. Die Union will den deutschen Jobmarkt erst 2011 für Osteuropäer öffnen

„Callcenter verlangen von ihrem Personal oftmals Zweisprachigkeit“

VON BARBARA DRIBBUSCH

Auch die Schifffahrt hat er jetzt erreicht, der Fachkräftemangel. „Unternehmen in der maritimen Wirtschaft klagen, dass sie Stellen nicht besetzen können, weil ihnen geeignete Bewerber fehlen“, sagt Annette Müller, Sprecherin der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Rostock, der taz. In der Region Rostock fahndeten Maschinenbaufirmen nach Ingenieuren, auch Callcenter-Unternehmen vor Ort suchten händeringend nach geeigneten Telefonkräften, so Müller.

Ist er also tatsächlich so drängend, der Fachkräftemangel in Deutschland, dass jetzt auch in den Ostregionen viele Firmen vergebens nach Mitarbeitern Ausschau halten ? Von einem nur „partiellen Fachkräftemangel“ spricht Anja Kettner, Arbeitsmarktforscherin am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg.

Kettner hat die sogenannten Vakanzdauern untersucht, also die Zeitspanne, die entsteht, wenn eine Stelle schon hätte besetzt sein sollen, aber noch kein Mitarbeiter mit der Arbeit angefangen hat. Im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt hat sich diese Zeit zwischen den Jahren 2004 und 2006 nur in geringem Maße, von 19 auf 21 Tage, erhöht. Die sogenannte Suchzeit für Personal im Bereich Maschinenbau, Elektrotechnik und Fahrzeuge hat sich für die Unternehmen in Schnitt sogar zwischen 2004 und 2006 verkürzt.

Wenn sich aufgrund der guten Konjunktur die Auftragsbücher in den Betrieben füllten, dann „sind die Erwartungen der Unternehmen häufig sehr hoch, dass sich für offene Stellen sofort ein passender Bewerber finden muss“, hat Kettner festgestellt. Der Fachkräftemangel wäre somit auch ein „gefühlter“ Mangel und nicht stärker als etwa in den Boomzeiten der New Economy, wo man über die Greencard für computerversierte Inder stritt.

Dabei gibt es vielerorts ein „Matching-Problem“, ein Problem des Zusammenpassens von Wirtschaft und Jobsuchenden. Und das wird nicht leichter in Zeiten, in denen wirtschaftliche Entwicklungen schneller und wechselhafter verlaufen. „Die Struktur der Arbeitslosen, unter denen sich viele Un- und Angelernte und viele Ältere befinden, entspricht nicht unbedingt dem von den Unternehmen gesuchten Personal, denn die wollen Fachkräfte“, sagt Claus Labonté, Branchenkoordinator für Dienstleistung, Bau und Immobilienwirtschaft bei der IHK Berlin.

Auch die Callcenter in Rostock wollten heute sprachlich und oft fachlich versierte Berater, die eine Hotline bedienen können, so Müller. „Die Callcenter siedeln sich in der Region an, weil hier hochdeutsch gesprochen wird, aber sie erwarten heute auch Zweisprachigkeit.“

„Die Arbeitsfelder verändern sich schnell, auch durch die Entwicklung des Internets, da kommt es drauf an, ob jemand den gerade in der Praxis gestellten Anforderungen entspricht“, erklärt Katja Kühnel, Koordinatorin für Medien und Kulturwirtschaft bei der IHK Berlin. Wer etwa in der aktuell prosperierenden Werbewirtschaft heute einen Job wolle, müsse sich beispielsweise auch mit den Interaktionsmöglichkeiten der Nutzer innerhalb des Web 2.0 auskennen, so Kühnel.

Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit plädierte Unionsfraktionschef Volker Kauder gestern dafür, die vollständige Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für osteuropäische Arbeitskräfte um zwei Jahre auf 2011 zu verschieben.