: Die Schlacht um Tripolis
KÄMPFE Gaddafi verliert die Kontrolle über die Hauptstadt. Aber die Kämpfe dauern fort
MAHMUD DSCHIBRIL, MINISTERPRÄSIDENT DER REBELLEN
TRIPOLIS/BERLIN afp/rtr/taz | Die Eroberung der libyschen Hauptstadt Tripolis durch die Aufständischen gestaltete sich am Montag schwierig. Korrespondenten meldeten am Nachmittag schweres Artilleriefeuer am Hafen ebenso wie an Gaddafis Hauptquartier Bab al-Asabiya, das nach wie vor von Elitetruppen verteidigt werde. An mindestens drei Stellen steige schwarzer Rauch auf. Das Schicksal Gaddafis blieb unklar.
Jubelnde Aufständische hatten in der Nacht zum Montag das Zentrum von Tripolis erreicht und den Grünen Platz besetzt, den traditionellen Schauplatz von Gaddafis Massenkundgebungen. Eine riesige Menschenmenge hatte sich versammelt und den Fall der Gaddafi-Diktatur ausgelassen gefeiert.
Die Rebellen waren vom Westen gekommen, in Unterstützung einer am Samstagabend gestarteten Volkserhebung in Tripolis selbst, verstärkt durch 200 Kämpfer aus Misurata, die auf dem Seeweg landeten.
„Es ist eine euphorische Stimmung, genau wie in Bengasi im Februar“, berichtete am Sonntagabend der britische Journalist Nick Meo vom westlichen Stadtrand von Tripolis. „Die Rebellen singen ‚Freiheit‘ und wir sehen viele heruntergerissene grüne Fahnen am Straßenrand.“ Widerstand gab es offenbar zunächst nicht. Die Scharfschützen Gaddafis hätten sich verzogen, so Journalisten: „Die Leute gucken ungläubig auf die verbrannten grünen Fahnen und die zerrissenen Gaddafi-Poster“, berichtete der Journalist Damien McElroy vom Grünen Platz: „Auf der einen Seite des Platzes steht ein Gerüst, auf das das Regime das größte Transparent der Welt, etwa 100 Meter hoch, hängen wollte, um am 1. September seinen 42. Jahrestag zu feiern. Dieses Transparent ist jetzt zerfetzt.“
Doch am Montagfrüh brachen erneut schwere Kämpfe aus. Truppen Gaddafis hatten sich offenbar in seinem Hauptquartier verschanzt und beschossen von dort aus die Stadt. Dessen Regierungssprecher Moussa Ibrahim hatte am Sonntagabend erklärt: „Das Regime ist immer noch stark und Tausende Freiwillige und Soldaten stehen zum Kampf bereit.“ 1.300 Menschen seien in den vergangenen 24 Stunden getötet worden. Zu überprüfen waren diese Angaben nicht.
Augenzeugen zufolge gingen Rebellenkämpfer systematisch vor, um einen Straßenzug nach dem anderen zu sichern. „Es ist, wie wenn man einen Lichtschalter an- und ausschaltet“, meldete am späten Montagnachmittag der britische Journalist Luke Harding, „eine Minute leuchtet Sieg, aber jetzt nehmen die Kämpfe wieder zu.“ Kurz zuvor hatten die Rebellen das Staatsfernsehen eingenommen.
Kämpfe wurden am Nachmittag auch nahe der tunesischen Grenze sowie nahe der Stadt Slitan 130 Kilometer östlich von Tripolis gemeldet. Gaddafi-treue Truppen hätten sich in den Bergen verschanzt und würden Slitan beschießen, hieß es.
In Bengasi sagte der Ministerpräsident der Übergangsregierung, Mahmud Dschibril, das Gaddafi-Regime sei am Ende. „Gott hat entschieden, dass Gaddafis Ende durch diese Jugendlichen kommen wird, damit sie sich dem arabischen Frühling anschließen können.“ Die Ära Gaddafi sei vorbei. Die Libyer müssten aber wissen, dass „die kommende Zeit nicht auf Rosen gebettet sein“ werde und man vor vielen Herausforderungen stehe. Rebellen dürften keine Selbstjustiz üben. Der Präsident des Nationalrats, Mustafa Abdel Dschalil, kündigte den Umzug nach Tripolis an und drohte mit Rücktritt für den Fall, dass Rebellen Racheakte begingen.
Beobachter mutmaßten, Differenzen über den Umgang mit Gaddafi im Fall seiner Gefangennahme könnten noch zu Problemen zwischen den Rebellen führen. Gaddafis Sohn Saif al-Islam, einst als dessen Nachfolger gehandelt, wurde gefangen genommen; es gab Berichte über Verhandlungen mit dem Internationalen Strafgerichtshof, der gegen ihn Haftbefehl erlassen hat, über seine Auslieferung. Der Rebellenrat teilte auch mit, Gaddafis ältester Sohn Mohammed habe sich ergeben.