: Endlich!
LIBYEN 42 Jahre Diktatur unter Muammar al-Gaddafi sind beendet: Die Rebellen erobern weite Teile der Hauptstadt Tripolis. Gaddafi-Getreue leisten Widerstand. Der Diktator selbst bleibt verschwunden
TRIPOLIS/BERLIN afp/taz | Fast 42 Jahre lang hat Muammar al-Gaddafi Libyen mit eiserner Hand regiert. Opposition war verboten, Andersdenkende verschwanden in Gefängnissen und Folterkellern. Nun wird der ewige „Revolutionsführer“ selbst von der Revolution überrollt. „Heute ist der Tag der Entscheidung“, sagte ein Militärsprecher der Aufständischen.
Die Rebellion, die vor einem halben Jahr im Osten des Landes begann, hat die Hauptstadt Tripolis überrollt. „Mein ganzes Volk liebt mich“, hatte Gaddafi noch getönt und die Libyer dazu aufgefordert, die „Ratten“ zu verjagen. Doch am Montag jubelten die Bewohner von Tripolis den Aufständischen zu. Diese wollten möglichst rasch eine Übergangsregierung etablieren. Vertreter des Übergangsrats waren auf dem Weg nach Tripolis. In Bengasi im Osten des Landes bejubelten in der Nacht zum Montag Zehntausende den Sieg.
Doch aufgegeben haben die wenigen Unterstützer Gaddafis noch nicht. Gestern schossen sie mit Panzern und anderen schweren Waffen. An verschiedenen Stellen, darunter in der Umgebung von Gaddafis Kommandozentrale, fanden Schießereien statt. Auch das Fernsehzentrum war umkämpft. Nach Angaben aus Kreisen der Rebellen sollen etwa 1.300 Menschen aus ihren Reihen bei der Eroberung der Hauptstadt ums Leben gekommen sein. Die Aufständischen hofften, den Widerstand innerhalb der nächsten 48 Stunden zu brechen. Sie errichteten zusammen mit Bewohnern Straßensperren. Die Nato flog am Montag Luftangriffe auf von Gaddafi-Anhängern gehaltene Stützpunkte der Hauptstadt. Der Grüne Platz, den ein riesiges Plakat mit der Person des Diktators füllte, heißt wieder Platz der Märtyrer, und Gaddafis Bildnis ist verschwunden. Dort feierten tausende Menschen den Umsturz.
Von Gaddafi selbst war gestern nichts zu hören. Diplomaten und Rebellen spekulierten, dass sich dieser weiterhin in seiner Kommandozentrale aufhalten müsste. Zwei seiner Söhne wurden festgenommen, ein dritter steht unter Hausarrest.
Gegen Gaddafi, seinen bereits festgenommenen Sohn Saif al-Islam und seinen Schwager, den Geheimdienstchef Abdullah Senussi, liegen internationale Haftbefehle vor. Ihnen werden schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. KLH
➤ Paris vorneweg: Roadmap für Libyens Zukunft gesucht SEITE 2
➤ Porträt: Gaddafi, der narzisstische Diktator SEITE 3
➤ Von Bengasi nach Tripolis: Der Sechsmonatskrieg SEITE 4
➤ Gegen den Krieg: Grüner Ströbele bleibt beim Nein SEITE 5
➤ Die arabische Revolution verändert die Welt SEITE 12
➤ Nach dem Krieg: Einmischung erwünscht SEITE 12