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Archiv-Artikel

Möglicherweise hunderte Tote in Afghanistan

US-Luftangriffe auf Taliban sollen zahlreiche zivile Opfer gefordert haben. USA sprechen von „Präzisionsangriff“

LASCHKAR GAH rtr ■ Im Süden Afghanistans sind bei schweren Luftangriffen möglicherweise mehrere hundert Zivilisten getötet worden. Einwohner berichteten gestern, der Angriff sei gegen eine große Menschenmenge geflogen worden, die im Distrikt Baghran einer öffentlichen Hinrichtung durch die Taliban beigewohnt hätten. Allein in das Krankenhaus der Provinzhauptstadt Laschkar Gah wurden nach Angaben der Polizei mindestens 20 Verletzte gebracht. „Ich kann schwere Luftangriffe bestätigen“, sagte der Polizeichef der Provinz Helmand, Mohammed Hussein Andiwal. Er gehe Berichten über den Tod vieler Zivilisten nach.

Auch ein Abgeordneter aus der Provinz sagte, ihm lägen Berichte über viele getötete Zivilisten vor. Verletzte Zivilisten wurden auch ins Krankenhaus in Kandahar gebracht. Journalisten wurden daran gehindert, die Opfer zu filmen oder zu befragen. Der 27-jährige Hadschi Hakim Dschan berichtete, er habe vier seiner Brüder verloren. Ein anderer Bruder und seine acht Jahre alte Schwester seien verletzt worden. Der Luftangriff werde die Zivilbevölkerung den westlichen Truppen entfremden und den Taliban Zulauf verschaffen.

Die US-Streitkräfte erklärten, der Luftangriff sei am Donnerstag gegen zwei „berüchtigte Taliban-Kommandeure“ gerichtet gewesen, die ein Treffen von Führern der Islamisten geleitet hätten. Es habe sich um einen Präzisionsangriff gehandelt.

Sollten sich die Berichte bestätigen, wäre es die höchste Opferzahl eines einzigen Luftwaffeneinsatzes in Afghanistan seit dem Sturz der Taliban 2001. Erst vor kurzem hatte die Nato angekündigt, bei Militäreinsätzen mehr Rücksicht auf die Zivilbevölkerung nehmen zu wollen.

Unterdessen erklärten die Taliban, sie seien zu einem bilateralen Treffen mit Unterhändlern aus Südkorea über das Schicksal der südkoreanischen Geiseln bereit. Doch wurde noch über die Bedingungen eines solchen Treffens gestritten. Taliban-Sprecher Kari Jussif Ahmadi sagte: „Das Treffen sollte in einer Region stattfinden, die unter Kontrolle der Taliban ist.“ Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap hatte zuvor berichtet, Unterhändler stünden mit den Taliban in Kontakt, um einen Treffpunkt für bilaterale Gespräche auszuhandeln. Seoul will sich durch direkte Verhandlungen offenbar aus der Abhängigkeit von der afghanischen Regierung lösen.