: Ein großformatiges Leben
AUSSTELLUNG Die Deutsche Kinemathek zeigt den deutsch-britischen Production Designer Ken Adam, der vor allem durch seine futuristischen Bauten für James-Bond-Sets der 1960er und 1970er Jahre berühmt wurde
VON CAROLIN WEIDNER
Ganz am Ende der Ausstellung „Bigger Than Life. Ken Adam’s Film Design“, die vor wenigen Tagen im Museum für Film und Fernsehen in der Deutschen Kinemathek eröffnete, steht ein kleiner Monitor, ausschließlich für die Reproduktion von Zitaten gedacht. Eines dieser Zitate lautet: „No design is worth doing it, if you just reproduce reality.“ Es stammt von Ken Adam selbst. Und es ist lustig platziert, wenn man hier, am Ende, nachdem man alle Räume dieser Ausstellung durchschritten hat, plötzlich mit diesem Wort konfrontiert wird – „Realität“. Denn gerade die hatte für eine kleine Weile einmal keine Rolle gespielt. Immerhin haben die Kuratoren Boris Hars-Tschachotin, Kristina Jaspers und Peter Mänz eine Art Abkühlbecken installiert, es befindet sich einen Raum davor und erzählt von Berlin und von London, zwei Orten, die mit dem Leben Ken Adams eng verknüpft sind. Biografisches also, echte Realitäten, ziemlich weit weg von den monumentalen Entwürfen, die Adam für die Filmsets von Stanley Kubrick, Terence Young, Guy Hamilton oder Tinto Brass gezeichnet hat. Und dann erblickt man in diesem Raum, in dem sich die Wirklichkeit langsam wieder ins Bewusstsein schiebt, doch auch den ein oder anderen Hinweis auf die Ursprünge von Adams Ästhetik.
Dass sich diese nämlich in keinem luftleeren Raum entwickeln konnte, wird spätestens klar, wenn man vor diesem wunderbaren grün-rot-schwarzen Werbeplakat steht. Auf ihm zwei elegante Gestalten, er mit Zigarette und Monokel, sie mit Hut. „S. Adam Reitkleidung“ steht darauf. Eine Anzeige des Textilkaufhauses S. Adam, gestaltet von Louis Oppenheim. Oder diese Einladungskarte, auf der „die Firma S. Adam die Kinder ihrer Kunden im Alter von 10 bis 16 Jahren zu einer Tasse Schokolade in Gegenwart Jackie Coogan’s auf heute, Sonnabend, nachmittag pünktlich um 4 Uhr ins Hotel Adlon“ einlädt. Das war 1924. Klaus Hugo Adam, so Ken Adams Geburtsname, war da gerade einmal drei Jahre alt. Und das Textilkaufhaus S. Adam gehörte seinem Vater. Ein großformatiges Leben. Kurz nach Hitlers Machtantritt verlässt die Familie Berlin und zieht nach London und eröffnet eine Pension. Doch Fritz Adam ist gebrochen, stirbt bald darauf, im Jahr 1936 schon. Ken Adam hingegen verpflichtet sich freiwillig als Kampfpilot der Royal Air Force im Zweiten Weltkrieg.
Er studiert Architektur und setzt kurz darauf in die Filmwelt über. Hier materialisieren sich die verschiedenen Einflüsse zu einem eigenen Stil. Da das Berlin der Eltern und Kindheit, Entwürfe von Mies van der Rohe für einen Neubau des Textilhauses Adam, die Zehnzimmerwohnung in der Tiergartenstraße, potenzielle Kakao-Gelage mit dem Kinderstar Jackie Coogan. Und nun London, bald darauf die Heirat mit Letizia Moauro, die Ken Adam bei Dreharbeiten auf Ischias kennenlernt, Model, Handtaschendesignerin (ein paar ihrer Stücke sind auch in der Ausstellung zu sehen) und fortan enge Vertraute und Kritikerin. 1962 die erste Arbeit an einem James-Bond-Film, es ist „Dr. No“ von Terence Young. Adam zeichnet den Entwurf zum „Tarantula Room“, einem düsteren Ort mit markanter, Beklemmung verursachender Gitterdecke. Es ist der Auftakt für eine ganze Reihe von Produktionen, die gleichsam die Marke „James Bond“ als auch „Ken Adam“ tragen. Adam designt unter anderem das Set für „Goldfinger“ (Guy Hamilton, 1964), „You Only Live Twice“ (Lewis Gildbert, 1967) oder „Moonraker“ (Lewis Gilbert, 1979). Das Repertoire reicht von Machtzentralen (unvergessen der „War Room“ in Kubricks „Dr. Strangelove“) über Kriegstechnik bis hin zu Villen, Höhlen, Verliesen und Laboren. Die Kuratoren von „Bigger Than Life“ sind nun dieser irgendwie naheliegenden und doch auch etwas einfachen Aufteilung gefolgt, um das Werk des Ken Adam möglichst zugänglich zu präsentieren. Im Hauptraum der Ausstellung, der sich ausschließlich mit den von Adam geschaffenen Filmsets beschäftigt, finden sich also Beispiele, Filmausschnitte, Zeichnungen und Modelle zu den Themenfeldern „Wasser und Luft“ – hier ist etwa der Supertanker „Liparus“ aus „The Spy Who Loved Me“ (Lewis Gilbert, 1977) zu sehen – oder zu „Villen und Apartments“, wo das feudale Herrenhaus in „Sleuth“ (Joseph L. Mankiewicz, 1972) gezeigt wird.
Das ist nicht unspektakulär, vor allem weil man sich große Mühe gab, den Ausstellungsraum selbst in schönster Ken-Adam-Manier zu gestalten. Ein dunkles, verkantetes Arrangement aus Raumtrennern, eine Art Zackenhöhle mit schwarz glänzendem Lackboden. Ebenso auffällig, allerdings zwei Etagen höher: Boris Hars-Tschachotins Medieninstallation „Lines in Flow“, die ermöglicht, Ken Adam rauchend an seinem Schreibtisch sitzen zu sehen, das „Fetischobjekt“ Flo-Master in der Hand, diesem einzig wahren Filzstift (es wurde sich sogar der Spaß erlaubt, ein überdimensionales Modell dieses Stiftes an eine Wand zu pinnen).
In der Installation manifestieren sich die von Adam gezeichneten Linien im Zigarettenrauch, der in die Höhe steigt. Striche und Formen entstehen und vergehen wieder. In Hinblick auf eine Installation ist das schon in Ordnung. Die Wirklichkeit hat sich jedoch längst darangemacht, das Oeuvre des Meisters vor dem Dahinschwinden zu bewahren. Ken Adam selbst hat die Verantwortung dafür übernommen – und der Deutschen Kinemathek 2012 seinen gesamten Nachlass vermacht. Dass dieser derzeit digitalisiert wird und bald auch online einsehbar sein soll, ist eine der bemerkenswertesten Neuigkeiten, die mit der Eröffnung von „Bigger Than Life“ einhergeht.
■ Bis 17. Mai, Deutsche Kinemathek, Potsdamer Straße 2, Katalog (Kerber Verlag) 39,95 Euro