: Ansteckender als jede andere Krankheit
MKS wird vor allem durch Tiertransporte verbreitet. Kein Anlass für Hysterie, sagt das Verbraucherschutzministerium
BERLIN taz ■ Ursprünglich ist die Maul- und Klauenseuche eine regional begrenzte Seuche: Das Virus wird hauptsächlich durch direkten Kontakt mit infizierten Tieren übertragen. Allerdings ist das Virus eine gewisse Zeit auch außerhalb seines „Wirts“ resistent. So kann Wind das Virus über einen gewissen Weg transportieren. Dies – zusammen mit den Praktiken der industriellen Landwirtschaft – ist das Hauptproblem der Seuche: Infizierte Paarhufer – Rinder, Schweine, Schafe oder Ziegen – werden durch Tiertransporte an seuchenfreie Orte befördert und tragen so zur Ausbreitung bei. Auch der Transporter selbst kann das Virus verbreiten, wenn er ein infiziertes Tier befördert hat und danach nicht desinfiziert wird.
So gibt es neben dem „direkten“ mehrere indirekte Übertragungswege: Kühe können die Maul- und Klauenseuche (MKS) etwa durch die Besamung von infizierten Bullen bekommen. Auch Kleidung und Haut von Landwirten oder Veterinären, die mit erkrankten Tieren umgehen, sind potenzielle Überträger. Zudem können infizierte Tierprodukte – Milch, Käse, Fleisch – oder Futterzusätze das Virus beherbergen. Und auch Wildtiere wie Rehe übertragen MKS.
Als „wahrscheinlich ansteckender als jede andere Krankheit, die Menschen oder Tiere betrifft“, schätzt deshalb die britische Umweltbehörde die Maul- und Klauenseuche ein. Wird sie nicht unter Kontrolle gebracht, „breitet sie sich rasant aus“.
Müssen sich die Verbraucher in Deutschland also Sorgen machen? „Eindeutig: nein“, urteilt Hubertus von der Goltz vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Die notwendigen Maßnahmen in Südengland seien eingeleitet, es gebe einen Exportstopp für britische Tiere und Tierprodukte. Allerding habe es in den vergangenen 30 Tagen – das ist die Inkubationszeit der Seuche – fünf Tiertransporte von den Britischen Inseln nach Deutschland gegeben: vier Schaftransporte und einen Rindertransport. „Wir wissen, wohin diese Transporte gegangen sind, und unsere Fachleute untersuchen diese“, so von der Goltz. Ergebnisse will das Ministerium heute vorlegen, allerdings gebe es keinerlei Anzeichen für eine Gefahr: „Die Transporte stammen aus ganz anderen britischen Gebieten, die vom Ausbruchsort der Seuche weit entfernt liegen.“
Zu den auffälligsten Symptomen der Maul- und Klauenseuche zählen schmerzhafte, flüssigkeitsgefüllte Blasen im Maul und an den Hufen der Tiere – daher auch der Name. Die Tiere lahmen und fiebern, oft versiegt bei weiblichen Tieren der Milchfluss. Für erwachsene Paarhufer ist die Krankheit meist nicht tödlich, jüngere Tiere allerdings können daran sterben. Der Zeitraum zwischen Ansteckung und dem Auftreten der ersten Symptome beträgt 24 Stunden bis 10 Tage. Menschen werden äußerst selten infiziert, der letzte bekannte Fall wurde 1966 in Großbritannien dokumentiert.
Entdeckt wurde das Virus 1898 von dem deutschen Forscher Friedrich Loeffler, der später auch ein Schutzserum gegen die Krankheit entwickelte und sich für Impfungen einsetzte. Seine Experimente in Greifswald lösten seinerzeit allerdings, so wie jetzt in Großbritannien, einen MKS-Ausbruch auf benachbarten Bauernhöfen aus. Loeffler zog sich den Zorn der Bauern zu – und sich auf die Ostseeinsel Riems zurück. Dort ist noch heute der Hauptsitz des Bundesinstituts für Tiergesundheit.
Den letzten Fall von Maul- und Klauenseuche registrierten die Behörden in Deutschland 1988. Seit 1992 besteht ein offizielles Impfverbot: Kranke Tiere können nach der Impfung nicht mehr von gesunden unterschieden werden. Deshalb wird nach einem neuen, sogenannten Marker-Impfstoff gesucht.
Heute jedenfalls kommt die aus Bund und Ländern bestehende Task-Force-Tierseuchenbekämpfung – eine Vorstufe zum Krisenstab – zu einer Telefonkonferenz zusammen. „Eine reine Routinemaßnahme“, sagt von der Goltz. Auf die Frage, ob und wie sich die Verbraucher schützen sollten, sagt er: „Vor allem sollten sie sich vor Hysterie schützen.“ NICK REIMER