: Ja. Nein. Enthaltung
GRÜNE Der Bundestag soll einen neuen Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan beschließen. Die Grünen sind dafür und dagegen
BERLIN taz | Wenn der Bundestag am heutigen Donnerstag über ein neues Afghanistan-Mandat für die Bundeswehr abstimmt, lohnt es sich, auf die Reihen der Grünen zu schauen: Ja, Nein, Enthaltung – das Meinungsbild dürfte wieder mal bunt ausfallen. Wie zuletzt bei der Abstimmung über deutsche Waffenlieferungen an die kurdischen Peschmerga im Nordirak gehen die Meinungen unter Grünen auch bei der schwierigen Frage nach dem Sinn oder Unsinn einer Fortsetzung des Bundeswehr-Engagements in Afghanistan auseinander. Während Parteichef Cem Özdemir bei einer Probeabstimmung in der Fraktion für die neue „Resolute Support Mission“ votierte, soll sich Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt laut Teilnehmern enthalten und ihr Co-Chef Anton Hofreiter dagegen gestimmt haben.
Nach dem Ende der Isaf-Mission in Afghanistan will die Bundesregierung 2015 mit bis zu 850 Bundeswehrsoldaten die neue „Resolute Support Mission“ der Nato unterstützen. Einsatzschwerpunkt: Nordafghanistan. Ziel: afghanische Sicherheitskräfte ausbilden und beraten. Die Mehrheit der Großen Koalition für das Afghanistan-Mandat gilt als sicher. Doch bei den Grünen ist das Bild unübersichtlich: eine knappe Mehrheit der Abgeordneten lehnte den Einsatz bei der Probeabstimmung ab, es gab viele Enthaltungen, aber auch einzelne Jastimmen.
Parteichef Özdemir begründet seine Zustimmung mit der Lage im Irak: „Das Beispiel Irak zeigt, wie ein Land zerfällt, wenn es keinen Plan für die Zeit nach dem Abzug der internationalen Truppen gibt“, sagte er der taz. „Es gibt nicht nur eine Verantwortung, wenn man reingeht, sondern auch beim Rausgehen.“ Und: Afghanistan dürfe nicht „zum neuen Irak werden“. Auch Realo-Koordinator Dieter Janecek fordert, man dürfe sich „in Afghanistan angesichts der unsicheren Lage nicht einfach aus der Verantwortung stehlen“.
Doch unter Fachleuten in der Fraktion gibt es massive Zweifel an dieser Argumentation. Tom Koenigs, ehemaliger Leiter der zivilen UN-Mission in Afghanistan, stritt bei den Grünen lange für die Akzeptanz von Auslandseinsätzen und stimmte stets für die Afghanistan-Mandate – die neue „Resolute Support Mission“ hält Koenigs trotzdem für falsch. Natürlich brauche Afghanistan weiter internationale Unterstützung, sagt der Realo: „Aber hier stolpern wir in ein neues Mandat hinein, das von der Lage nicht gedeckt ist.“ Die Parallele zum Irak hält Koenigs für schief. Für die Sicherheit Afghanistans gebe es wichtigere Faktoren als 850 deutsche Soldaten. Auch die Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger lehnt das Mandat ab – es enthalte zu viele „gefährliche Unklarheiten und Unwägbarkeiten“, warnt sie. ASTRID GEISLER