: Musik wäre Trumpf
Vor einem Jahr wurde der Spielbudenplatz auf der Reeperbahn als St. Paulis neues „Aushängeschild“ eröffnet. Seitdem fanden auf den beiden großen Bühnen allerdings kaum Konzerte statt
von DANIEL WIESE
Bei der Einweihung war die Stimmung hoffnungsfroh bis euphorisch. Der neue Spielbudenplatz sei „ein Ort der Lebensfreude“, frohlockte der damalige Bausenator Michael Freytag. Und St. Pauli-Präsident Corny Littmann, als Schmidt-Theater-Chef einer der Geschäftsführer der neu gegründeten Spielbudenplatz Betreibergesellschaft mbH, prophezeite, der frisch asphaltierte und mit zwei riesigen Bühnen versehene Ort werde nicht nur das „Herz von St. Pauli“, sondern „der attraktivste Platz in Deutschland“ werden.
Ein Jahr danach hat sich die Aufbruchsstimmung verflüchtigt. „Das Konzept kann gar nicht funktionieren“, sagt Andy Schmidt vom benachbarten Molotow-Club. Seiner Meinung nach sollte man die beiden Bühnen dem Sponsor Vattenfall zurückgeben. Der Energiekonzern hatte sich die Hightech-Konstruktionen 2,6 Millionen Euro kosten lassen – rausgeschmissenes Geld, meint Schmidt.
Derzeit würden die Bühnen vor allem von Obdachlosen genutzt – und von Jugendlichen, „die sich bei Penny mit Dosenbier eindecken und sich dann die Kante geben“, berichtet Club-Mitarbeiter Michael Einführ (taz berichtete). „Für die Betreibergesellschaft ist es sehr schwer, da Acts draufzukriegen.“
Das Problem an der Sache sei, dass die Reeperbahn teils als Wohngebiet gelte, mehr als 70 Dezibel seien nicht erlaubt, sagt Jochen Bohnsack, der Platzmanager. Bohnsack erinnert sich gut an das letzte Reeperbahnfestival, als die Band Tomte auf einer der Bühnen spielte. „Das war so leise, da konnte man sich vor den Boxen noch vernünftig unterhalten“, sagt er. „Und das will man ja eigentlich nicht.“
Schwierig auch: Eintritt darf nicht verlangt werden, weil weder der Spielbudenplatz noch die Reeperbahn abgesperrt werden dürfen. Die Finanzierung über die Getränke sei schwer, weil sich viele Besucher billiger an Tankstellen und Supermärkten auf der Reeperbahn eindecken würden, sagt Platzmanager Bohnsack. Bleibe nur noch das Sponsoring.
Die Bedingungen sind so schlecht, dass das nächste Reeperbahnfestival im September ursprünglich die Bühnen auf dem Spielbudenplatz meiden wollte. „Unsere Erfahrung ist, dass die behördlichen Auflagen ein großes Konzert unmöglich machen“, sagt Organisator Detlef Schwerte. Nun hat man sich mit der Betreibergesellschaft darauf geeinigt, wenigstens eine Bühne für zwei Tage zu bespielen. Denkbar wären Singer/Songwriter und unbekanntere Rockbands, die nur ein kleines Publikum ziehen, sagt Schwerte.
Beim Bezirksamt Mitte versteht man die Aufregung nicht ganz. Wenn nur die Hälfte des Platzes genutzt werde, seien „geschlossene Veranstaltungen erlaubt“, sagt die Sprecherin. Und bei der Lautstärke seien in seltenen Fällen Ausnahmen möglich, allerdings gehe es da nur um fünf Dezibel hin oder her. „Jeden Tag Halli-Galli kann man auch nicht wollen“, sagt die Sprecherin und fordert von den Betreibern „Fantasie“.
Er habe schon von dem Vorschlag gehört, auf den Bühnen Pantomimen auftreten zu lassen, erzählt Andy Schmidt, und er klingt dabei etwas fassungslos. Die Betreiber steuern inzwischen der Verwaisung des Platzes entgegen, indem sie Mittwochs einen Obst- und Samstags einen Trödelmarkt abhalten, die beide bis in die späten Abendstunden gehen. Eine gute Idee, findet Schmidt. „Aber das hätte man auf dem alten Sandplatz auch machen können.“
Aber vielleicht gibt es Möglichkeiten, den Platz samt Bühnen doch noch zu nutzen. Vielleicht muss das Openair-Kino im Schanzenpark eines Tages dem neuen Luxus-Hotel weichen. Dann könnte Vattenfall retten, was Mövenpick verbockt hat.