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Archiv-Artikel

Sieben Jahre Volleyball

Hervorragende Kondition: Die Companhia de Danca Deborah Colker aus Brasilien gastiert mit „Rota“ im Admiralspalast und serviert mit großer Geste viele bunte Bilder

Der Lebenslauf von Deborah Colker liest sich ein wenig wie der von Wonderwoman. Zwölf Jahre widmete sie einem intensiven Klavierstudium und einer Karriere als Pianistin. Sieben Jahre lang war sie aktive Profivolleyballerin. Sechs Jahre lang studierte sie Psychologie. Ihre Tanzausbildung begann sie mit 17 und heute, mit 46 Jahren, läuft die brasilianische Choreografin mit ihren Tänzern noch immer wie ein Team von Sportlern auf der Bühne ein, das die Endlichkeit der Ressource Kraft einfach nicht wahrhaben will.

Deborah Colker ist die Gründerin und Chefin einer großen brasilianischen Companhia de Danca, die seit 1995 von der staatlichen Ölgesellschaft Petrobras gesponsert wird. Und sie ist einer der Stars der Kulturexporte aus Brasilien, die für ein überschäumendes, lebenslustiges und unbedenklich sich vergeudendes Temperament stehen. Im Berliner Admiralspalast gastiert sie jetzt mit dem Stück „Rota“, mit dem sie vor zehn Jahren ihren Ruf des furchtlosen Crossovers zwischen Mozart und den Chemical Brothers und der wagemutigen Verknüpfung zwischen Ballett und Akrobatik befestigte. Und noch immer wirkt die Aufführung, als müsse das Publikum zuallererst davon überzeugt werden, wie kurzweilig, abwechslungsreich und witzig doch selbst so etwas Abstraktes wie modernes Ballett sein kann.

„Seht her! Wir sind nur Menschen wie ihr auch“, scheinen die ständig zwischen Pirouetten, Arabesken und Sprüngen gestreuten Alltagsgesten sagen zu wollen: Ich gleite durch die Luft und ich kratz mich am Kopf, ich lege fünf komplizierte Drehungen hin und hebe meinen Rock, ich strecke das Bein hoch bis zum Ohr und beiß mich in den Zeh. Es ist nicht nur das Tempo, mit dem Colkers Choreografie durch so viele Formen und auch Floskeln des Tanzes gleitet, das nach einer Weile irritiert, sondern mehr noch, wie sie jede Form ausstellt als glitzerndes, funkelndes Teilchen und dann zum nächsten übergeht.

Die Bewegung scheint so von keiner Notwendigkeit getragen und wirkt eher, als hätte man eine bunte Tüte Konfetti ausgestreut. Man amüsiert sich, bewundert die Kraft und wartet darauf, dass in dieser gut geölten, störungsfrei laufenden Maschine doch noch irgendetwas Dramatisches passiert.

Allein, in den zwei Akten von „Rota“ wird vielleicht mal der Gang gewechselt, der Motor aber läuft stotterfrei weiter. Dem Auftakt, einer Collage aus jungen, spritzigen, wirbelnden Elementen, folgt „Gravity“, eine Fantasie von Bewegung im Weltraum. Tänzer schreiten langsam, Fuß vor Fuß, über die Schultern derer, die unter ihnen immer neue Brücken bilden. Sie zelebrieren den Kopfstand und ein Vertauschen von oben und unten in Bewegungskombinationen zu dritt. Die Körper verlieren ihre Individualität, und Späßchen wie am Anfang werden jetzt keine mehr gemacht.

Im letzten, namengebenden Teil von „Rota“ schlägt sich immer mehr eine bildhafte Ornamentik in der Choreografie durch. Ein großes Rad, mit vier Querstreben und einem Ring voller Sprossen, wird jetzt zum Zentrum aller Aktionen. Symbolische Bilder entstehen: Zwei Tänzer kreisen um die Achse, gespiegelt wie die Kartenkönige, und tauschen mit jeder halben Drehung, wer oben und wer unten ist. Vier Tänzerinnen steigen in die Rotation und tarieren mit eleganten Schaukelbewegungen das Auf und Ab aus. Die Musik schaukelt sich zwischen Walzern von Johann Strauss’ Sohn und Tangerine Dream in ihr eigenes Delirium. Zu acht hängen die Tänzer schließlich in diesem magischen Kreis, zusammengerollt wie Embryos. Und dann schließt sich der Vorhang über der Show, die in der Erinnerung wenig mehr hinterlässt als diese letzten Bilder.

KATRIN BETTINA MÜLLER

„Rota“ im Admiralspalast, bis 12. August, täglich um 19.30 Uhr