: Brutaler Überfall auf Kritiker
SYRIEN Der Karikaturist Ali Farzat stellt in seinen Zeichnungen die Heuchelei und Brutalität der Machthaber in der Region bloß. Nun liegt er verletzt im Krankenhaus
EIN FREUND UND KOLLEGE FARZATS
VON GABRIELA M. KELLER
BERLIN taz | Ein Mann mit krausen grauen Haaren und Bart liegt in einem Krankenhausbett. Über seinen geschlossenen Augen klebt ein Verband, seine beiden Hände sind dick in Mullbinden gewickelt. Blut sickert durch die weißen Bandagen. Das etwas verschwommene Foto im Internet illustriert deulich, mit welcher Härte das syrische Regime derzeit gegen seine Kritiker vorgeht.
Ali Farzat, 65 Jahre alt, zählt zu den bekanntesten Karikaturisten der arabischen Welt. Seit Jahrzehnten stochert er mit spitzer Feder in den dunklen Ecken der nahöstlichen Politik. Seine Zeichnungen sind beklemmende und zugleich witzige Studien über die Heuchelei und Brutalität der herrschenden Regime.
Nun ist er selbst zum Opfer der Repressionen geworden. Der 65-Jährige war am Donnerstag früh um vier auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, als ihm auf dem zentralen Omayyadenplatz in Damaskus ein Lieferwagen den Weg abschnitt. Lautn Berichten sprangen bewaffnete, maskierte Männer aus dem Fahrzeug, zerrten Farzat auf die Straße und prügelten auf ihn ein. Dann stießen sie ihn in den Lieferwagen. Stunden später wurde sein blutiger, bewusstloser Körper an der Ausfallstraße zum Flughafen gefunden. Sein Gesicht ist von Prellungen und Schnitten übersäht. Doch die Schläger konzentrierten sich vor allem auf seine Hände; die linke wurde sogar gebrochen.
Am Omayyadenplatz liegen zahlreiche staatliche Gebäude, der Platz wird rund um die Uhr von Militär und Polizei bewacht. Undenkbar, dass ein solcher Überfall dort ohne Billigung der Sicherheitskräfte geschehen kann. „Das war eine deutliche Botschaft des Regimes“, sagt ein enger Freund und Kollege Farzats, der anonym bleiben will. „Sie wollen, dass er aufhört zu zeichnen.“
Farzat ist einer der schärfsten Kritiker des Regimes. Seit dem Beginn der Proteste gegen Präsident Baschar al-Assad sind seine Zeichnungen noch direkter, wagemutiger geworden. „Er hat sich an die Seite des Volkes gestellt“, sagt sein Freund, „deswegen hat es diesen Angriff gegeben.“ Zuletzt bildete Farzat sogar Assad selbst ab – ein solcher Tabubruch wäre vor wenigen Monaten undenkbar gewesen. In den Karikaturen erscheint der Präsident als dürres Männchen im Anzug. Es bläst schillernde Seifenblasen von einem Rednerpult oder hockt auf der Lehne eines Sessels, weil aus der Sitzfläche Sprungfedern stechen. Dabei haben sich der Präsident und der Karikaturist einmal gut verstanden: Mitte der 90er Jahre besuchte der junge Augenmediziner Baschar al-Assad eine Ausstellung Farzats. Er lobte die Bilder und sagte ihm, er sehe gar keinen Grund, warum er zensiert werde.
Nach seinem Amtsantritt im Jahr 2000 sorgte der Präsident persönlich dafür, dass Ali Farzat die Genehmigung erhielt, seine eigene Satirezeitung Ad Domari auf den Markt zu bringen.
Doch das Verhältnis zwischen den beiden kühlte schnell ab. Als Farzat einen Beitrag über die Korruption innerhalb des Regimes veröffentlichte, wurde die Publikation geschlossen. „Ali Farzat hat sich noch nie einschüchtern lassen“, sagt sein Freund, früherer Redakteur bei Ad Domari. „Er ist trotz allem optimistisch und will so schnell es geht wieder zeichnen.“