: Putzig, aber keine Schmusetiere
Ein Vergnügungspark ist das Otterzentrum im niedersächsischen Hankensbüttel nicht – trotzdem soll Naturschutz hier auch Spaß machen. Jedes Jahr ziehen Otter, Dachse und Iltisse über 100.000 Gäste in die Einrichtung am Isenhagener See
Von UTA GENSICHEN
Im Otterzentrum Hankensbüttel gibt es keine einstudierten Tiershows und keine Karussels. Auch keine mannshoch durch den Park spazierenden Plüsch-Hermeline für das Erinnerungsfoto. Trotzdem zieht es jedes Jahr mehr als 100.000 Gäste in die Erlebniseinrichtung am Isenhagener See. „Die Tiere sollen hier nicht konsumiert werden“, sagt Oskar Kölsch. Der diplomierte Agraringenieur sitzt im Vorstand des Vereins „Aktion Fischotterschutz“, dem Träger des beliebten Otterzentrums in der Gifhorner Südheide. Um die Otter, Hermeline, Iltisse und Dachse davor zu bewahren, lediglich begafft zu werden, haben sich Kölsch und seine Vereinskollegen ein besonderes Konzept ausgedacht. „Wir wollen zeigen“, sagt er, „dass Naturschutz auch Spaß machen kann.“
Auf dem weiträumigen Gelände wandern die Besucher von einer Marderart zur nächsten. Ganz nebenbei erfahren sie spielerisch etwas über die Tiere, die hier in Gehegen leben – und über den Naturschutz. „Otto Normalverbraucher soll lernen, dass man seine Einfahrt nicht unbedingt pflastern muss“, sagt Kölsch. Im Otterzentrum pflege man eben einen modernen und integrierten Naturschutz. Die Besucher belohnen diese ehrenvolle Absicht täglich mit einem vollen Parkplatz.
Vielleicht wollen einige von ihnen jedoch einfach nur den putzigen Hermelinen beim Schlafen oder den Dachsen beim Fressen zusehen. Die wahren Publikumsmagneten sind aber fraglos die zwanzig Otter, die in der Einrichtung leben. „Sie sind einfach Sympathieträger“, sagt Kölsch. Die erste Fütterung des Tages an der Station Otterbach spricht Bände: Etwa 60 Besucher drängeln sich vor der Holzbrüstung, um die öffentliche Verköstigung von „Mr. Hoppe“ und „Johann“ zu verfolgen. Während der Pfleger die beiden Fischotter mit Küken, Pansen und andere Leckereien anlockt, gibt er den Besuchern über sein Mikrofon eine Lehrstunde.
Verfolgt der Wanderer den Weg weiter in Richtung Iltis-Sumpf, begegnet er unweigerlich einem alten, klapprigen und grasgrünen Ford. Der muss wohl einem der Pfleger gehören, denkt sich der Besucher und überquert die angedeutete Betonpiste vor dem schrottreifen Auto. Auf einmal ertönen aus Lautsprechern Motorengeräusche und ein schrilles Hupen. „Jetzt wären Sie tot“, sagt Kölsch trocken. Das urbane Leben aus der Sicht eines Marders erscheint auf einmal in einem anderen Licht.
Auch die Installation mit dem schlichten Namen „Reusenspiel“ bringt dem Besucher die Gefahren eines Otteralltags näher als es einem lieb ist: Kinder können hier durch einen Tunnel aus dicken Tauen klettern. Die Aufgabe dabei lautet, so lange die Luft anzuhalten, wie sie für den Kletterparcours benötigen. Spielerisch lernen die kleinen Entdecker dabei einen traurigen Aspekt des Fischotterlebens kennen. Denn nur allzu leicht verfangen sich die Tiere bei ihrer Jagd nach Fischen in den Synthetiknetzen – und ertrinken. „Nach dem Überfahrenwerden“, sagt Kölsch, „ist das die Haupttodesursache bei Fischottern.“
Das Konzept des Zentrums wird von Station zu Station klarer, und der Blick für die sehr verspielten und lebendigen Tiere verändert sich. Doch schreckt so mancher Besucher auf, wenn er kurz vor der letzten Station an einem Gehege mit großen, zotteligen Vierbeinern vorbeikommt – den Otterhunden. „Die passen eigentlich nicht in unser Konzept“, sagt Kölsch über die drei Hunde. Immerhin wurden die Tiere einst vom Menschen dazu abgerichtet, Otter zu jagen. „Aber das ist eine alte Haustierrasse, die vom Aussterben bedroht ist.“ Nun laufen Aika, Aska und Fiete friedlich in ihrem Gehege herum und gehören zu den geheimen Publikumslieblingen. Abends nach der Schließung werden sie dann von den Zivildienstleistenden durch den Ort geführt, damit sie ihre Bindung zum Menschen auch im Otterzentrum nicht verlieren.
Wer das Otterzentrum anschließend verlässt, sieht in dem braunäugigen Fischotter mit Sicherheit mehr als nur ein putziges Tier. Das Leben dieser bedrohten Art ist voller interessanter Geheimnisse, aber auch Risiken. Zu den größten Gefahren gehört dabei der Mensch und dessen Verhalten. Um den Otter und seine Artgenossen wieder dauerhaft in Deutschland anzusiedeln, gibt es nur eine Lösung: modernen und integrierten Naturschutz.