THEATER

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Das Haus ist ein ziemlicher Tanker. Fett erhebt es sich aus dem Häusermeer von Mitte, über ein Viertel, das einst das „Scheunenviertel“ hieß. Deshalb muss früher der Eindruck, den dieses Monstrum erweckte, noch einschüchternder gewesen sein. Die Rede ist von der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, der noch nicht so hieß, als dort 1914 die Volksbühne eröffnet wurde: ein Theater, das architektonisch ähnlich autoritär wie der Reichstag auftrat. Während über dem Portikus des Parlaments, (in das allerdings erst ein Vierteljahrhundert nach seiner Fertigstellung die ersten echten Demokraten einzogen) die massiven Letter „Dem deutschen Volke“ prangten, stand über der Volksbühne „Die Kunst dem Volke“ geschrieben. Womit natürlich auch das deutsche gemeint war. Seitdem ist viel passiert, und so recht hat sich das Volk ja auch in hundert Jahren nicht mit der Kunst anfreunden können. Dafür mit allerlei Diktaturen, die dem Platz immer wieder wechselnde Namen gaben: Horst-Wessel-Platz hieß der Rosa-Luxemburg-Platz zum Beispiel während der Nazi-Zeit. Trotzdem hat die hier seit hundert Jahren stehende Volksbühne wie kein anderes Theater in dieser zerrissenen Stadt in den Jahren nach dem Mauerfall für so etwas wie eine neue kulturelle Berliner Identität gesorgt, eine Art Kontakthof für die Theatersprachen von Ost und West. Und für das Theatervolk. Unter anderem auch deshalb, weil hier Pop- und Hochkultur zusammengeführt wurden, man wild gewundene Diskursbrücken baute und an diesem Ort dieser finster-funkelnde-Berlin-Stil „arm aber sexy“ entstand, und zwar lange, bevor Wowereit ihn so nannte. Am 30. Dezember wird die Volksbühne 100 Jahre alt und begeht dieses bewegte Jubiläum mit einer Riesen Theaterparty. (Volksbühne: „Happy Birthday, altes Haus“, 30. 12., ab 19 Uhr.)

Und dann ist das Jahr auch bald schon zu Ende. Und man braucht Glück für das Neue. So wie „Hans im Glück“ zum Beispiel, der berühmte Trottel aus dem Märchen der Gebrüder Grimm, von dem man doch so einiges lernen kann. Weil dieser Hans nämlich immer zufrieden ist mit dem, was er hat. Auch wenn es gar nichts ist. Bert Brecht hat den Stoff als 21-jähriger junger Mann bearbeitet und dann als misslungen verworfen. Der junge Regisseur Sebastian Sommer hat es ausgegraben und im BE damit ein sehr bemerkenswertes Regiedebüt hingelegt. Zum Jahreswechsel steht die Inszenierung nun wieder auf dem Spielplan – hingehen! (Berliner Ensemble: „Hans im Glück“, 29. 12., 19. 30 Uhr)

Und das Stück, dass dann noch auf dem ganz großen Spielplan steht heißt einfach: 2015. Ich wünsche einen guten Rutsch!