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Archiv-Artikel

Diese gewisse Sperrigkeit

Sendersuchlauf (4): 1Live, die WDR-Jugendwelle, setzt auf die Kombination von Mainstream, Nischen und Autoren

Die bekannteste Stimme von 1Live hat auch einen Oberkörper. Das ist nicht selbstverständlich für einen Radiomoderator. Normalerweise sitzt der doch weit weg in einem kleinen Studio und spricht zu uns – eine körperlose Stimme, die aus dem Nichts zu kommen scheint.

Anders Jürgen Domian: Werktags zwischen eins und zwei Uhr in der Nacht kann man ihm im WDR-Fernsehen beim Zuhören zuschauen, diesem hageren Typen mit den raspelkurzen Haaren. Seine Telefon-Talkshow „Domian“, der nichts, aber auch gar nichts Menschliches fremd ist, gehört zu den Dauerbrennern im 1Live-Programm. Am 3. April 1995 ging das Format auf Sendung, zwei Tage nach dem Sendestart von Eins Live, das hervorgegangen war aus der in die Jahre gekommenen Jugendwelle WDR 1.

Seit der zweiten Programmreform in der Sendergeschichte Anfang 2007 heißt Eins Live 1Live. Sonst hat sich wenig verändert in den vergangenen 12 Jahren. Und das ist eine gute Nachricht. Denn 1Live macht intelligentes Jugendradio – und erfolgreiches: 2,3 Millionen Hörer ab 14 Jahren schalten täglich ein. Tagsüber orientiert sich das Programm musikalisch am Mainstream, abends und nachts aber bietet es viel Raum für den Nischengeschmack. Am Sonntag von 22 bis 1 Uhr etwa moderiert Ex-Geier-Sturzflug-Musiker Klaus Fiehe mit „1Live Fiehe“ eine der letzten Autorensendungen im deutschen Radio und spielt nur Platten, die ihm am Herzen liegen.

Der Name seiner Sendung ist – wie bei anderen 1Live-Programmen auch – ein Bekenntnis zu den Moderatorenpersönlichkeiten des Senders, bei dem unter anderem Jörg Thadeusz, Thomas Bug und Miriam Pielhau ihr Handwerk gelernt haben. Während andere Sender (und nicht nur private) auf Durchhörbarkeit setzen und deswegen ihren Moderatoren alle Ecken und Kanten abschleifen, bevor sie auf den Sender dürfen, kultiviert 1Live eine gewisse Sperrigkeit, diesen leicht nuschelnden, kalkuliert nachlässigen Sound. Selbst ein leichter dialektaler Einschlag ist erwünscht – vorausgesetzt, der Moderator stammt aus dem „Sektor“ genannten Sendegebiet.

Die Moderatoren duzen ihre Hörer – allerdings nur im Plural (in Gesprächen mit einzelnen Hörern natürlich nicht), was wesentlich weniger aufdringlich wirkt als das ewige Singular-Du anderer Sender, dem Hörer aber trotzdem das gute Gefühl gibt, zur Familie zu gehören. „Freundeskreis“ heißt die 1Live-Community folgerichtig. Der Sender ist mit Aktionen und Konzerten andauernd im großen NRW unterwegs und wirbt um seine jungen Hörer. Auch wenn die immer älter werden: Konzipiert für die 14- bis 29-Jährigen, lag das Durchschnittsalter der Hörer zum Sendestart bei 27 Jahren. Heute sind sie im Schnitt 34. DAVID DENK

Im „Sendersuchlauf“ hören wir uns durchs Radio. Nicht nur durch das nationale, sondern auch durch das regionale. Das Internet macht es möglich.