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Archiv-Artikel

So bestürzend grob

Eine gelegentlich anrührende Geschichte: Jo Baiers TV-Film „Das letzte Stück Himmel“ (20.40 Uhr, Arte)

Der eine gibt den Prosecco-seligen Luftikus, einen freien Fotograf, begehrtes Objekt sehr vieler Frauen. Der andere verkörpert sein Gegenteil, einen depressiven Mann, der glaubt, sein eigenes Leben sei nichts wert; es mit Lust zu bestreiten könne seine Sache nicht sein.

Es sind Brüder, Anno, der Leichte, und Julian, der Schwere. Sie eint, ihre Mutter einer Krebserkrankung wegen früh verloren zu haben. Julian hat diese Tragödie nicht verwinden können.

Jo Baiers Geschichte handelt von diesen Antipoden, vom Segelfliegen, von der Liebe, die dem Selbstmordgefährdeten wie ein Himmelsgeschenk vorkommt – und der er doch nicht erliegen kann, weil letztlich die Angebetete nicht ihn, sondern den anderen, den Leichten, erhört, der plötzlich auf seinen von ihm jahrelang vernachlässigten Bruder aufpassen will.

Nichts schimmert durch

Das nimmt sich fein aus, Baier, bekannt für seine fragilen Bilderfluten, in die er seine Geschichten taucht, ist kein Vorwurf daraus zu machen, dass er alle Figuren nur eine Spur vom Rand des Kitschs entfernt zeichnet. Kritikwürdig auch nicht, dass die Metapher vom Himmel so furchtbar häufig bemüht wird.

Misslich jedoch ist, dass die meisten der Figuren so bestürzend grob gespielt werden. Der Luftikus kommt als besonders oberflächliches Miststück daher. Die Frauen um ihn herum haben allesamt diese Tiefe von Glasoberflächen, durch die hindurch nichts schimmert. David Rott spielt diesen Typen – man hofft, dass viele Zuschauer in ihm ein glaubwürdiges Rollenspiel erkennen. Auch Nora Tschirner, um deren Liebe es ja geht, hat als Schauspielerin diese gewisse Verwechselbarkeit, eine Eigenschaft, mit der sie unter den deutschen Jungschauspielerinnen nicht ganz alleine steht. Nur Max von Pufendorf, der den Julian gibt, den Schwermütigen, berührt den Zuschauer mit seiner Leistung. Der kann spielen, der liebt Modulationen, der verschwindet vollkommen in seiner Rolle.

„Es war ein schöner Sommer“, sagt er zum Schluss, als sich erweist, dass er ohne klinische Hilfe nicht weiter über die Runden kommen kann. Und Anno, der Robuste, weint an der Schulter der nun ihm Zugeneigten, er habe als Helfender versagt. Immerhin: Diese Tränen wirken echt.

Allein schon Max von Pufendorfs wegen darf dieser Film also trotzdem empfohlen werden. Dass am Ende, als er wieder auf der Eisenbahnbrücke steht, zu sehen ist, wie er das Familienalbum mit den Kindheitsfotos in die Tiefe wirft – auch diese Szene lohnt die ganzen 87 Minuten. Das eigentliche Finale wird erst im Abspann erläutert: nicht zuvor wegschalten! JAN FEDDERSEN