RECHT SO: KRISELN DIE PARTEIFINANZEN, MUSS DER STEUERZAHLER RAN : Billige Empörung
Na, was für ein Skandal. Erst wollen sich die Bundestagsabgeordneten die Diäten erhöhen, jetzt möchte die große Koalition auch noch die Parteienfinanzierung ausweiten und mehr Geld aus dem Steuersäckel. Mal wieder bedienen sich die Politiker selbst, aber über die Hartz-IV-Erhöhungen wollen sie erst im November beraten. Derlei Gedanken erhitzen die Gemüter des Steuerzahlerbundes und mancher Oppositionspolitiker. Der Empörungsreflex funktioniert zuverlässig. Dabei ist die geplante Erhöhung um 15 Prozent keineswegs skandalös.
Nach bisheriger Praxis wäre eine Erhöhung um 6 Prozent angesagt. Aber die 9 Prozent zusätzlich, die Union und SPD nun vorschlagen, werden gebraucht. Die Parteien haben nämlich ein echtes Finanzierungsproblem. Mit Ausnahme der Grünen mussten alle im Bundestag vertretenen Parteien große Mitgliederverluste hinnehmen. In den letzten 15 Jahren ist die Zahl der Parteigänger insgesamt um mehr als ein Viertel gesunken. Es fehlen Beiträge, die Kassen sind leer. Aber die Aufgaben, die Parteien erfüllen müssen, bleiben dieselben. Obwohl gerade vor dem Hintergrund schwindender Mitgliederzahlen die privilegierte Position von Parteien häufig infrage gestellt wird, bleiben sie wichtig. Nicht nur weil im Grundgesetzes steht, dass die Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken.
Anders als der Steuerzahlerbund behauptet, werden von den staatlichen Zuschüssen eben nicht Kugelschreiber und Luftballons im Wahlkampf finanziert, sondern vor allem die Mitarbeiter, die sich um Bürgeranfragen kümmern, ehrenamtlichen Parteifunktionären in Sachfragen zuarbeiten und nicht zuletzt politische Programme entwickeln. Und auch die Oppositionsparteien, die nicht auf den Apparat von Ministerien zugreifen können, müssen in der Lage sein, ordentlich zu arbeiten.
Solange andere Institutionen nicht langfristig und zuverlässig die Aufgaben von Parteien übernehmen, muss der Steuerzahler sie finanziell unterstützen – auch wenn es immer weniger Mitglieder tun. INGA HELFRICH