Die Rukolapizza

Fastfood-Synkretismus

Seine Schürze ist doppelt so groß wie ihre. Doch sein Kopf und ihr Kopf passen beide unter dieselbe Schirmmütze mit demselben Schriftzug. Sie streut Röstzwiebeln auf Reisnudeln, wendet Lauch- und Karottenstreifen in heißem Öl. Er schiebt vorgebackene Pizzen in den Steinofen, faltet Pappschachteln fürs Mitnehmen. Während seinen Pranken auch mal eine Pizzaecke entwischt und auf dem Boden landet, tänzelt sie leichtfüßig hinterm Tresen am tristeren Ende der Torstraße. Handwerker wie Schlipsträger drängeln sich um Stehtische. Angebot 1 oder 2 warten auf hungrige Mittagsmäuler.

Früher verloren sich Stilgrenzen nur im fernen Osten der Stadt. Asiatisch, Türkisch, Italienisch und Deutsch wurden vom Imbiss-Oktaeder am Trambahnhalt im schnellen Wechsel auf die Teller gekotzt. Jetzt hat der Fastfood-Synkretismus auch in Mitte Fuß gefasst. Wie im Korallenriff, wo Clownfisch und Seeanemone fruchtbar zusammenleben – sie schützt ihn vor dem bösen Dückerfisch, er lässt ihr ab und zu mal ein Häppchen übrig –, hat das Prinzip der Symbiose auch in die Schnelle Küche Einzug gehalten.

Ich komme schon seit Wochen in den Laden. Und habe mir alle möglichen Szenarien ausgedacht, diese scheinbar unerschütterliche Harmonie durcheinanderzubringen. Ich hätte gern Angebot 1 (italienisch), aber mit dem Salat aus Angebot 2 (asiatisch). Kein Problem, poltert der präpotente Bär hinterm Tresen. Welche Soße, fragt sie. Versuch fehlgeschlagen, denke ich. Doch halt. Er fängt an, den Salat großzügig auf der Pizza zu verteilen. Sie protestiert. Für einen kurzen Moment sieht es so aus, als würden sie miteinander ringen. Dann ist mein Essen fertig. „Rukolapizza“, sagt er strahlend.TIMO BERGER