Programmieren nach Schulschluss

GRUNDBILDUNG In der Hacker School bringen Programmierer in ihrer Freizeit Jugendlichen ihr Handwerk nahe. Sie lernen dort, was hinter Minecraft und Flappy Bird steckt. Das soll fehlenden Informatikunterricht ausgleichen

VON SEBASTIAN SCHULTEN

In der Lobby der „Hacker School“ in der Hamburger Altstadt herrscht an einem Samstagmorgen Spannung. An die 20 Kinder und Jugendliche zwischen elf und achtzehn Jahren würden am liebsten sofort alle Laptops und Computern starten und für die nächsten eineinhalb Stunden in die digitale Welt eintauchen. Nicht um zu spielen oder im Internet zu surfen, sondern um zu programmieren.

Die Hacker School ist ein Non-Profit-Unternehmen und wurde im Februar 2014 von Andreas Ollmann, David Cummins und Timm Peters aus der Taufe gehoben – drei Unternehmern aus der der IT- und Medienbranche. Gründer und Lehrende arbeiten hier ehrenamtlich. Sie vermitteln weniger Wissen in Form von Frontalunterricht als dass sie die jungen Leute zu Projekten inspirieren. Sie sind professionelle Programmierer und Softwareentwickler in Unternehmen, die digitale Dienstleistungen erbringen wie Versandhandel oder Spiele-Entwicklung.

Im Frühjahr schrieb das Gründer-Team ihm bekannte Programmierer an, mit dem Ziel, kostenlose Kurse für Kinder zu bieten. Die einzige Vorgabe an die „Inspirer“ war, dass diese selbst Lust auf ein Thema haben. Dieses sollte so gestrickt sein, dass die Kinder es sich selbstständig erarbeiten können.

Bereits im Sommer konnte die Hacker School so acht Kurse mit 24 Inspirern anbieten. Einen Monat lang fanden die Kurse an einem festen Wochentag nach Schulschluss statt. Eine Gruppe beschäftigte sich zum Beispiel mit der Konstruktion einer Robotersteuerung durch eine Software, eine andere mit der Entwicklung von Spielen, Websites und Apps.

Andreas Ollmann hatte zuvor in seiner Agentur angehende Auszubildende gefragt, welche Vorkenntnisse sie im Bereich Informatik haben. „In der Schule haben wir Office gelernt und das Suchen mit Google, ansonsten bin ich viel bei Facebook und spiele gerne“, sagten die Bewerber. Da müsse mehr getan werden, dachten sich Ollmann und seine Kollegen. Den letzten Anstoß zur Gründung der Schule war die Abschaffung des Informatikunterrichts als Pflichtfach an Hamburgs weiterführenden Stadtteilschulen. „Die Politiker sagten, dass es wichtiger ist eine dritte Fremdsprache zu lernen als eine Programmiersprache“, sagt Ollmann. Das sehe er anders. Jedes Kind sollte so wie es Naturwissenschaften in der Schule kennen lernt auch mit dem IT-Bereich in Berührung kommen. Das, was Schüler der in der Vergangenheit lernten, sei reines Anwenden von Textverarbeitung, Suchmaschinen und sozialen Netzwerken – nicht Programmieren.

Für die Grünen Schulpolitikerin Stefanie von Berg macht der Zuspruch der Hacker School deutlich, dass die Jugendlichen Interesse an diesem Fach haben. „Hier will zivilgesellschaftliches Engagement das ausgleichen, was aus politischer Sicht versäumt wird“, sagt von Berg. Die Inspirer schafften es, den vorhandenen „digitalen Wissensdurst“ in etwas Kreatives, Konstruktives und Berufsorientierendes umzuwandeln.

Tatsächlich gibt es noch das Fach Informatik, jedoch lediglich als Wahlpflichtfach. Zuvor war es an Hamburgs Stadtteilschulen Teil des „Lernbereichs Naturwissenschaften und Technik“ und hatte einen genauso großen Stellenwert wie Biologie, Physik und Chemie.

Doch nun steht Informatik in Konkurrenz zu Fächern wie Wirtschaft, Latein oder Darstellendes Spiel. Schüler, die das Abitur anstreben, entscheiden sich dann für eine weitere Fremdsprache.

Für von Berg ist der Informatikunterricht mindestens so wichtig wie die Naturwissenschaften. „Chemie erklärt die Welt der Stoffe“, zählt sie auf. „Biologie die Welt des Lebens, Physik die Welt der Naturgesetze. Informatik die Welt der Information“. Der Physikunterricht sei auch nicht dazu da, um künftige Diplom-Physiker auszubilden, „dennoch sollte jeder Grundkenntnisse darin haben – aber eben auch in Informatik“.

Ein Antrag der Grünen zur Einführung des Informatikunterrichts als Pflichtfach ist bereits im Parlament eingegangen, am 16. Januar wird darüber im Schulausschuss debattiert.

Zurück zur Schnupperstunde der Nachwuchs-Hacker. Zwei Gruppen von jeweils elf Kindern sitzen inzwischen an ihren Rechnern, betreut durch zwei Inspirer. Beide Gruppen werden sich mit der Entwicklung eines Computerspiels auseinandersetzen. Dabei sollen sie ein Spiel nicht von Grund auf neu programmieren. Den Schülern wird gezeigt, wie sie durch einfache Handgriffe eine Anwendung auf dem Bildschirm verändern können. Wie sie beispielsweise einen Vogel durch einen Wald fliegen lassen oder welche Farbe seine Federn haben werden.

„Spiele wie Flappy Bird oder Minecraft gehören zu den Hauptanwendungen der Kids“, sagt Ollmann. „Deshalb sollen sie auch anhand der Themen, die sie in der Freizeit beschäftigen, einige Grundlagen des Hackens kennenlernen“.

Hacken an sich sei nichts illegales. Als „Hack“ bezeichne man im Fachjargon erst einmal nur eine schnelle Lösung für ein Problem, erklärt Ollmann. „Wenn ich den Mikrochip in meiner Kaffeemaschine mit einem W-LAN Modul verbinde und diesen durch eine App auf dem Smartphone bediene, dann habe ich meine Kaffeemaschine gehackt und kann bereits im Bett Kaffee kochen“. Diejenigen, die Server lahmlegen oder Quellcodes ändern, seien als „Cracker“ zu bezeichnen.

Es herrscht eine nahezu besinnliche Atmosphäre innerhalb der Gruppen. Konzentriert arbeiten die Teams aus maximal drei Schülern an ihren Rechnern und tippen Codezeilen. An normalen Schulunterricht erinnert hier nichts. Es sind keine Störgeräusche wahrnehmbar, einzig das Tippen auf den Tastaturen oder das Klicken der Mäuse.

Johann ist elf Jahre alt und hat bereits am letzten Workshop teilgenommen. Völlig selbstverständlich berichtet er in der Fachsprache darüber, was er tut: „Ich muss in Java Skript Befehle wie ‚Selfie up/ Selfie down‘ schreiben, die meine Spielfigur dann ausführt, um sich in dem Spiel fortzubewegen“.

Johann lernt in seiner Freizeit etwas über das Programmieren. Gegen Informatik in der Schule spricht für ihn nichts. „Das wäre mal eine Abwechslung neben Bio und den anderen Fächern“.

Im Februar starten die nächsten Kurse, zu denen man sich unter www.hacker-school.de anmelden kann. Johann will wieder dabei sein.