: Möglichkeiten einer Insel
GEDENKEN Der Ohlsdorfer Parkfriedhof ist die größte grüne Insel Hamburgs. Am 18. September findet dort der „Tag des Friedhofs“ statt, mit Führungen, Literatur und Musik
LUTZ REHKOPF, FRIEDHOF OHLSDORF
VON LAURA LEPPLE
Auf keinem anderen Friedhof in Hamburg liegen Diesseits und Jenseits näher beieinander als auf dem Friedhof in Ohlsdorf. Denn schon zur Gründung 1877 stand fest: Der mittlerweile größte Parkfriedhof der Welt sollte nicht nur ein Ort der Ruhe für Trauernde sein, sondern auch ein Naherholungsgebiet für die Hamburger Bevölkerung.
„Das wird auch dieses Jahr beim Tag des Friedhofs mit dem Motto der grünen Insel wieder stärker in den Vordergrund gerückt“, sagt Lutz Rehkopf, Mitarbeiter der Öffentlichkeitsarbeit am Friedhof Ohlsdorf. Jährlich werden dort ungefähr 6.000 Menschen beerdigt.
Dabei sind die Gräber so unterschiedlich wie die Menschen, die hier ihre letzte Ruhe gefunden haben. Schlichte Steine mit klassischen Grabblumen wie Rhododendron, Hortensien und Hibiskus, herrschaftliche Gruften und Mausoleen, aber auch schlichte Urnengräber. Auch heute noch kann sich jeder auf dem großen Friedhof beisetzen lassen, unabhängig von Konfession und Wohnsitz.
Am 18. September findet der „Tag des Friedhofs“ statt. Es werden verschiedene Führungen, Kutschfahrten und Musik angeboten. Das Programm startet mit dem Monolog der Literaturwissenschaftlerin Sabine Witt „Beckett trifft Dostojewskij“, vorgetragen von Christian O. Böttger am Künstlercafé. Das Künstlercafé ist gestaltet wie ein kleines Gewächshaus mit zwei Stühlen und einem Tisch, mit einem Briefschlitz. Dort können BesucherInnen des Friedhofs ganzjährig Botschaften an wen oder was sie möchten einwerfen. Diese werden am 20. November, dem Totensonntag, vorgelesen.
„Der Friedhof soll nicht nur ein Ort der Totenruhe sein, sondern auch eine Verknüpfung zu den Lebenden finden“, sagt Rehkopf. „Dafür haben wir für den Tag des Friedhofs speziell Liegestühle ausgeliehen. Auf diesen können sich die Besucher ausruhen, die Gedanken schweifen lassen und in den Himmel schauen.“ Ein Friedhof biete eine besondere Art von Ruhe, die man sonst an keinem anderen Ort finde, meint Rehkopf. Das Motto „Hamburgs grüne Insel – Parkfriedhof Ohlsdorf“ solle bewusst auch Leute auf den Friedhof locken, die ihn sonst eher meiden, weil sie ihn als bedrückend empfinden.
Weniger Ruhe – zumindest in musikalischer Hinsicht – bietet das Musikprogramm am Verwaltungsgebäude. Dort spielt Norbert Susemihls Arlington Brassband traditionelle Südstaaten-Begräbnismärsche und New Orleans Brassband Music. Diese sind mal getragen, mal übermütig und zeigen in den amerikanischen Südstaaten übliche musikalische Begleitungen des letzten Weges.
Anders sieht es dagegen in Wien aus, dort zieht sich der schwarze Humor bis zur letzten Ruhestätte durch. Die beiden gebürtigen Wiener Marko Formanek und Stefan Sieveking singen Lieder und erzählen Anekdoten im Wiener Schmäh. Chorleiter Guido Rammelkamp bringt vier Hamburger Gospel-Chöre in einem gemeinsamen Konzert am Tag des Friedhofs zusammen: Broder Hinrick, Gospel on Earth, Chorage und das Hamburg Pop und Gospel Ensemble.
Lutz Rehkopf sieht auch bei den alltäglichen Beerdigungen auf dem Ohlsdorfer Friedhof „einen Trend zur Popkultur“. Die Balladen „Time to say goodbye“ und „I did it my way“ seien mittlerweile zu Beerdingungsklassikern avanciert, aber auch „Junge, komm bald wieder“ als letzterGruß sei keine Seltenheit mehr.
Einen anderen Blick auf die Gräber zeigt die „Expedition in den Dschungel der Erotik“. Vera Rosenbusch und Lutz Flörke bieten ihre Führung zu den erotischen Orten auf dem Friedhof regelmäßig an. Am Tag des Friedhofs zeigen die beiden einen kleinen Ausschnitt der sonst zweistündigen Führung. „Erotik und Friedhof scheinen im ersten Moment nicht zusammenzupassen“, sagt Rehkopf. „Aber Erotik steht eben auch für die Zusammengehörigkeit zweier Seelen, die getrennt werden, weil eine der beiden Seelen auf eine lange Reise, etwa die des Todes, geht.“ Auch hätten Erotik und Liebe in der Philosophie keinen Sinn ohne die Endlichkeit des Lebens. „Man staunt in der Tat, wenn man sich einige der Darstellungen auf den Gräbern genauer ansieht. Da gibt es halb bekleidete Engel, laszive Darstellungen von Frauen und zum Teil auch ganz nackte Figuren“, berichtet Rehkopf.
Eine besondere Darstellung zweier sich tief in die Augen blickender Engel findet man, wenn man den zwei Engeln auf der Schatzkarte folgt, die im Info-Zelt erhältlich ist. Folgt man der Krone, kommt man zu einem Grab mit der Inschrift „König von Albanien“. Die Schatzkarte biete einen abwechslungsreichen Spaziergang mit vielen Dingen, die es zu entdecken gibt, und sei sowohl für Kinder, als auch für Erwachsene geeignet, so Rehkopf.
Verschiedene Führungen, zum Beispiel zu ausgewählten Freimaurergräbern oder in die „Dichterecke“, werden jede halbe Stunde angeboten. Ungefähr 5.000 Leute werden zum Tag des Friedhofs in Ohlsdorf erwartet. Dies wäre wohl ganz im Sinne des Bauleiters Johann Wilhelm Cordes, der den Friedhof seit der Gründung 1877 maßgeblich mitgestaltete. Sein Wunsch war es, dass hier auch die Lebenden ihre Freizeit verbringen.
Tag des Friedhofs, am Verwaltungsgebäude des Friedhofs Ohlsdorf, 18. September, 11 bis 17 Uhr