: Für Busreisen mit mehr Emotionen
Interview mit dem Busexperten und Kommunikationstrainer Wolfram Goslich (busconcept) über die Vorzüge und die Zukunft der Busreise
taz: Herr Goslich, bei Busreisen denkt man gemeinhin an betuliche Rentnertrips.
Wolfram Goslich: Das stimmt auf der Erscheinungsebene. Aber Busreisen sind wesentlich besser als ihr Ruf. Wir befinden uns in einer Phase, wo ein Generationenwechsel stattfindet.
Und wie sieht dieser aus?
Heute wird viel mehr auf individuelle Gestaltung Wert gelegt. Es gibt Busreiseveranstalter, die machen Fahrrad- und Wanderreisen. Es gibt Busreiseunternehmen, die bieten Reisen mit Kultur- und Aktivprogramm – für verschiedene Geschmäcker. Da kann ich aktiv selbst etwas unternehmen, entweder ein Museum besuchen oder mit dem gemieteten Fahrrad Sightseeing machen. Vorteil: Ich muss nicht ständig einer Gruppe hinterherlaufen. Da wird mehr individuell gestaltet. Hinzu kommt: In Zeiten, wo die Einsamkeit in der Gesellschaft immer mehr zunimmt, steigt die Bedeutung des Busses als sozialer Raum, wo Kontakte geknüpft werden können.
Sie meinen Busreisen als ideale Alternative für Singles und als Kontaktbörse? Gibt es da schon konkrete Angebote?
Wenn ich mir nur den Berliner Raum anschaue, gibt es viele attraktive Angebote: Städte- und Rundreisen, Wandern und Yoga in den Cinque Terre und im Fläming, Skilanglauf in Norwegen, mit dem Bus zu den Loireschlössern, Eltern-Kind-Reisen und und und.
Gibt es sonst noch Argumente für den Bus?
Jeder moderne Bus steht in der Klimabilanz besser da als die Bahn. Wenn so ein Bus mit 30 Personen besetzt ist, dann liegt der Verbrauch zwischen 21 und 26 Litern auf hundert Kilometer, das sind pro Person 0,6 Liter! Die Bahn liegt im Vergleich bei zwei Litern, der Airbus A 340 bei 3,4 Litern. Es gibt kein Verkehrsmittel, das besser abschneidet. Zudem ist der Bus flexibler und übrigens auch auf innerdeutschen Städteverbindungen wesentlich günstiger als die Bahn.
Der Bus als Konkurrenz zur Bahn?
Ja. Und vom Kunden ist es nun wirklich nicht hinzunehmen, dass es ausgerechnet ein Gesetz aus der Nazizeit von 1934 ist, dass es der Bahn erlaubt, jegliche Konkurrenz auf der Straße bis auf den heutigen Tag per Gesetz abzuschmettern. Sagen übrigens auch Verkehrswissenschaftler und Experten. Beispiel: Ich will von Frankfurt nach Hamburg. Das kostet mich im Intercity 92 Euro, im Fernlinienbus 21 Euro, aber der darf nur nachts fahren, weil die Bahn mauert. Und längst nicht alle Reisenden gehen nur nach eingesparter Zeit, sondern vor allem nach eingespartem Geld, nach Sicherheit und Umweltfreundlichkeit.
Durch Unfälle sind Busse in Verruf geraten. Ist es gefährlich, Bus zu fahren?
Jedes Fahrzeug, das sich bewegt, ist ein Risiko. Was sagt das Statistische Bundesamt: Der Bus ist mit Abstand das sicherste Verkehrsmittel. In Zahlen ausgedrückt: Setzt man die gefahrenen Personenkilometer mit den getöteten Insassen in Beziehung, so ist das Tötungsrisiko bei einer Fahrt mit dem Bus 44-mal geringer als beim motorisierten Individualverkehr, 15-mal geringer als beim Flugzeug und viermal geringer als bei der Bahn. Nur fällt ein umgestürzter Bus mehr auf als 20 Pkws, die sich um Bäume gewickelt haben.
Was ist Ihre Vision für die Busreise?
Für die neuen Lifestylegewohnheiten der Generation 55 plus Reiseatmosphäre schaffen. Es geht in Zukunft nicht mehr um Busreisen, sondern um Urlaubsreisen, um Erlebnis. Welcher Gast bricht schon in Tränen aus, wenn er den Eiffelturm sieht? Der Kunde 60 plus, wer ist das? Die sind mit den Stones und Mick Jagger groß geworden und schon gar nicht mit den Kastelruther Spatzen! Also: mehr Atmosphäre, mehr Emotion, unaufdringlicher Luxus und auch ein Tick Entschleunigung! Und für die Branche selbst wünsche ich mir, dass sie viel selbstbewusster auftritt und nicht so ängstlich jammerig.
INTERVIEW: EDITH KRESTA
Buchtipp: „Merian live: Deutschland entdecken mit Bus und Bahn“. München 2007, 8,95 Euro