hamburger szene : Gesucht: Buddhist
„Hallo, sind Sie Buddhist?“ Ich schrecke aus meinen morgendlichen Tagträumen auf, meine Aufmerksamkeit sammelt sich wieder und richtet sich auf den S-Bahn-Wagen, in dem ich sitze. Buddhistin bin ich nicht, aber ich war auch gar nicht gemeint: Der Herr in dem angrenzenden Vierer wurde angesprochen.
Ich sehe ihn nur von schräg hinten, aber die Zeichen sind eindeutig: Er ist asiatischer Abstammung, hat eine Vollglatze und noch dazu ein dottergelbes Hemd an. Ich meine sogar, ein schlichtes, metallenes Brillengestell erkennen zu können. Das kann nur eine Buddhist sein! Dasselbe muss sich der zugestiegene Passagier gedacht haben, der die Frage stellte und sich im selben Moment entspannt auf die gegenüberliegende Bank gefläzt hat, ganz so, als wäre sie eine gemütliche, ausgesessene Couch im Wohnzimmer seines ältesten und besten Freundes. Für diese Rolle hat er offensichtlich den vermeintlichen Buddhisten auserkoren, der irritiert, aber freundlich und gelassen auf die Frage reagiert. Freundlichkeit, Gelassenheit: Da ist schon der nächste Beweis.
Der Neugierige ist selbst kein Buddhist, so viel wird klar. Das Quietschen der S-Bahn verhüllt aber die theologische Erörterung, die nun zweifelsohne folgt. Nur Wortfetzen dringen durch, „Dalai Lama“ ist einer davon. Sein Besuch belebt also noch immer die S-Bahnen – zumindest bis der scharfsinnige Buddhisten-Erkenner zwei Stationen später genauso plötzlich wieder aussteigt, wie er gekommen ist. KC