: „Ich kombiniere Forschung mit Lehre“
LEHRE II Ende November wurde Raúl Rojas – Informatikprofessor der FU – Hochschullehrer des Jahres 2014
■ 59, aus Mexiko studierte Mathematik und Wirtschaft in seinem Heimatland. Seit 1997 ist er Professor für Informatik an der Freien Universität in Berlin. Er forscht unter anderem an unbemannten Fahrzeugen und Fußballrobotern. Der Deutsche Hochschulverband (DHV) kürte Rojas Ende November zum Hochschullehrer des Jahres. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis wird jährlich an Professoren verliehen, die sich in besonderem Maß in der Lehre engagieren.
VON ANNA BORDEL
taz: Herr Rojas, Sie sind gerade nur einen Tag in Berlin.
Paul Rojas: Ja, zurzeit bin ich für ein Forschungssemester in Princeton, in der Nähe von New York. Ich schreibe dort über autonome Fahrzeuge – darüber, wie viel Elektronik mittlerweile in jedem Fahrzeug steckt und welche Sicherheitsrisiken das birgt. Von Elektronik geht immer auch eine Gefahr aus, ein Teil könnte ausfallen oder gehackt werden.
Ende November wurden Sie vom Deutschen Hochschulverband mit dem Titel „Hochschullehrer des Jahres“ ausgezeichnet.
Das ist eine schöne Auszeichnung. In den letzten Jahren ist der Schwerpunkt auf die Forschung gelegt worden und die Lehre ist im Laufe dieser ganzen Exzellenzinitiativen zu kurz gekommen. Jetzt merken wir, dass man etwas für die Lehre tun sollte, weil sonst alle Professoren nur noch forschen wollen und die Lehre eher als Hindernis sehen.
In der Begründung für Ihre Ehrung heißt es, dass Sie junge Menschen für technische Themen begeistern. Wie schaffen Sie das?
Seit ich 1997 angefangen habe, versuche ich Forschung mit Lehre eng zu kombinieren. Jedes Projekt, das ich habe, ist auch ein studentisches Projekt. Das heißt, Studenten vom ersten bis zum letzten Semester können das, was sie bisher gelernt haben, einsetzen. Und ich denke, sie lernen in den Projekten sogar Dinge, die sie im Hörsaal nicht gelernt haben.
Wieso war es Ihnen von Anfang an wichtig, die Studenten mit einzubeziehen?
Weil man sonst keine großen Projekte machen kann. Die deutschen Universitäten haben den sogenannten Mittelbau seit den neunziger Jahren ständig abgebaut. Früher hatte man als Professor drei Mitarbeiter, und da konnte man mit den Mitarbeitern forschen, aber jetzt gibt es für jeden Professor nur noch einen Mitarbeiter. So kann man keine Bäume ausreißen. Also versuche ich meine Studenten für ein bestimmtes Thema zu interessieren und sie einzuladen mitzumachen.
Und das funktioniert?
Am Anfang des Semesters stelle ich ein interessantes Projekt vor, und vielleicht kommen dann zwanzig, dreißig interessierte Studenten. Von denen sind dann zehn wirklich brennend interessiert. Die wollen auch sehen, dass der Roboter sich bewegt. Wenn sie ein Projekt zu Ende bringen wollen, dann arbeiten sie auch mal rund um die Uhr.
Wieso sagt man Professoren eigentlich so oft nach, dass sie lieber forschen wollen und die Lehre vernachlässigen?
Das Problem ist, dass man Professoren vor allem an ihren Resultaten in der Forschung misst. Wenn ein Fachbereich evaluiert wird, dann schaut man auf die Veröffentlichungen und Drittmittel. Es wird aber nicht darauf geschaut, was in der Lehre geleistet wurde. Dabei sollte auch ausgewertet werden, wie gut die Studenten ausgebildet wurden und wie unabhängig sie im Laufe des Studiums arbeiten.
Mögen Sie Fußball?
Ich schaue keine Bundesliga, aber eine Weltmeisterschaft schon. Im Sommer war ich natürlich für Mexiko. Da gab es das Spiel gegen Holland, in dem das mexikanische Team sehr gut gespielt hat, aber trotzdem verlor.
Für die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 haben Sie eine Vorhersage entwickelt …
Ja, das ist ein klassisches Beispiel für ein Projekt mit Studenten. Da habe ich mir überlegt, eine Plattform bereitzustellen, die anhand der Vorgeschichte der Mannschaften die Gewinnwahrscheinlichkeiten ermittelt. Gemeinsam haben wir vier Favoriten ausgerechnet: Brasilien, Spanien, Deutschland und Argentinien, von denen ist nur Spanien nicht ins Halbfinale gekommen.
Und dann haben Sie noch ein Projekt mit Fußball-Robotern ins Leben gerufen, bei dem es um Robotertechnik geht.
Es geht um Koordination. Mehrere Roboter müssen Pässe abwehren, Tore schießen, verteidigen und angreifen. Man entwickelt jeden Roboter für sich, aber sie müssen im Team spielen. Das ist natürlich nur ein Spiel, aber die Methoden, die man entwickelt, kann man später bei echten Robotern in der Industrie oder in der Dienstleistung einsetzen. Aber, obwohl ich in der Robotik forsche, bin ich grundsätzlich der Meinung, dass man nicht alles, was man robotisieren kann, auch robotisieren sollte.
Was denn zum Beispiel nicht?
Zum Beispiel einen Kaffeeroboter im Büro. Es ist gut, wenn Leute aufstehen, den Raum verlassen und dann zur Küche laufen müssen. Das ist besser für den Rücken und die Aufmerksamkeit. Und ich bin auch dagegen, Roboter in der Altenpflege einzusetzen. Gerade alte Menschen brauchen menschliche Zuwendung.
Treffen Sie heute, wo Sie mal einen Tag in Berlin sind, auch Ihre Studenten?
Ja, klar. Ich muss bei den Doktoranden schauen, was die in den letzten Wochen gemacht haben. Die muss man auch mal pushen, damit sie die Sachen nicht aufschieben. Informatiker sind gut im Programmieren, aber nicht im Schreiben. Man muss ihnen sagen: So, es reicht, jetzt bitte ein Kapitel schreiben.