Und wieder einer weniger

Nachdem Demokraten und liberale Medien es monatelang gefordert haben, ist der skandalumwitterte US-Justizminister Alberto Gonzales zurückgetreten. Von der Riege der Bush-Freunde aus texanischen Zeiten ist kaum noch jemand übrig

AUS WASHINGTON KARIN DECKENBACH

Ein weiterer enger Weggefährte hat den US-amerikanischen Präsidenten George W. Bush verlassen. Der bereits bei seiner Ernennung skandalumwitterte Justizminister Alberto R. Gonzales trat gestern zurück. „Ich habe den amerikanischen Traum gelebt“, sagte er bei seinem einminütigen Auftritt vor der Presse. Er war der erste US-Minister lateinamerikanischer Abstammung.

Bush sagte, er habe den Rücktritt widerwillig akzeptiert. Er dankte seinem „vertrauenswürdigen Berater und engen Freund“ für seine „herausragende Arbeit“. Gonzales sei auf „unfaire Art durch den Schmutz gezogen“ worden, es sei „eine traurige Zeit“ für seine Regierung. Als Nachfolger ist Heimatschutzminister Michael Chertoff im Gespräch, berichtete CNN.

Gonzales ist gleich in mehrere Affären der Bush-Regierung maßgeblich verwickelt. Etwa in den Skandal um die Entlassung kritischer Bundesanwälte, die sich gesträubt hatten, Weisungen aus den Reihen der Republikanischen Partei zur Verfolgung politischer Gegner auszuführen. Gonzales hatte zunächst behauptet, davon nichts gewusst zu haben, und bei seinem erzwungenen Auftritt als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss des Kongresses plagten ihn enorme Erinnerungslücken. Sein peinlicher Auftritt wurde von den Medien verhöhnt und veranlasste auch einige republikanische Abgeordnete, den Rücktritt des Justizministers zu fordern.

Im Juli bestritt Gonzales unter Eid, dass es im Jahr 2004 innerhalb der Regierung Kontroversen um das geheime Lauschprogramm des Nachrichtendienstes National Security Agency gegeben habe. Der Präsident der Bundespolizei FBI, Robert S. Mueller, gab hingegen zu, dass das damals illegale Abhören der Telefon- und E-Mail-Kommunikation von Amerikanern mit Ausländern intern heftig umstritten war. So weigerte sich der damalige Justizminister John Ashcroft, eine Verlängerung des Abhörprogramms zu autorisieren, weil er es für illegal hielt. Im Sommer 2004 bekam er deshalb im Krankenhaus Besuch von Gonzales, seinerzeit Stabschef und Justiziar im Weißen Haus. Doch der erkrankte Minister widersetzte sich dem Druck. Eigenmächtig verlängerte darauf der Präsident das Spitzelprogramm und ernannte bald darauf Gonzales zu Ashcrofts Nachfolger.

Als ein Mitarbeiter von Ashcroft im Mai dieses Jahres dem Justizausschuss des Senats diese Geschichte erzählte, fragte der Republikaner Arlen Specter: „Können Sie mir nur ein Beispiel geben, wo Alberto Gonzales gutes Urteilsvermögen bewiesen hat?“ Der Mitarbeiter schwieg demonstrativ. Doch dank Bushs bedingungsloser Unterstützung überstand Gonzales auch das folgende Misstrauensvotum im Parlament. Seither dachten die Demokraten laut über ein Amtsenthebungsverfahren nach. Und die Medien wurden nicht müde, den umstrittenen Gutachten von Gonzales zu den geheimen Anweisungen im Rahmen des Folterskandals im Gefängnis Abu Ghraib im Irak sowie der Behandlung von Häftlingen im Gefangenenlager Guantánamo nachzuspüren.

Mit dem Abgang von Gonzales ist von der alten neokonservativen Garde nur noch Außenministerin Condoleezza Rice im Amt. Bei der Ernennung eines neuen Justizministers ist Bush auf den mehrheitlich demokratischen Kongress angewiesen. Senator Charles Schumer sagte, die Demokraten würden nur einem Nachfolger zustimmen „dem wir zutrauen, den Rechtsstaat über politische Interessen zu stellen“.