: Investition in den Familienfrieden
ERBSTREITIGKEIT Wenig bekannt ist bislang die Mediation als Hilfe bei Erbschafts-konflikten. Dabei lässt sich durch eine außergerichtliche Lösung nicht nur Geld sparen – auch die emotionale Belastung ist für die Beteiligten geringer
■ Standard bei einer Mediation ist, dass vorher ein Vertrag zwischen Mediator und den Medianten aufgesetzt wird.
■ Für eine Erbrechtsmediation gibt es keine Sonderausbildung, jeder Mediator und jede Mediatorin mit einem qualifizierten Abschluss kann sie anbieten.
■ Viele Gerichte schlagen inzwischen bei Erbstreitigkeiten eine gerichtsnahe Mediation vor, die dann ein nicht mit dem Verfahren befasster Richter führt.
■ Einige Rechtsschutzversicherungen haben Mediation inzwischen in ihr Angebot aufgenommen.
VON FRIEDERIKE GRÄFF
In Deutschland wird so viel Geld vererbt wie nie zuvor – aber das führt in vielen Fällen nicht zu Freude bei den Erben, sondern zu erbitterten Erbschaftsstreitigkeiten, die vor Gericht enden. Dass man den Konflikt möglicherweise auch mit einer Mediation lösen kann, ist vielerorts noch unbekannt. Dabei lässt sich auf diesem Weg nicht nur Geld und Zeit sparen – auch die Gefahr, dass in den streitenden Familien schwere Gefühlshypotheken bleiben, ist geringer. Der Bielefelder Fachanwalt für Erbrecht und Mediator Stephan Konrad klärt inzwischen fast 90 Prozent seiner Erbrechtsfälle außerhalb der Gerichte. Die Mediation hält er hier für „besonders geeignet“, weil es oft um komplexe Konflikte geht, deren Wurzeln teilweise bis in die Kindheit der Betroffenen reichen. Aber auch Erbengemeinschaften, in denen sich Menschen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen und -situationen plötzlich wiederfinden, können bei Streitigkeiten den Weg vor Gericht so vermeiden.
Auch die Hamburger Mediatorin und Fachanwältin für Erbrecht, Ursel Etzel, hält Mediation in Erbstreitigkeiten für hilfreich: „Unter der hohen emotionalen Belastung eines Sterbefalls ist es oft schwierig, sich in Sachfragen zu einigen, vor allem, wenn es schon vorher Verständigungsprobleme zwischen den Beteiligten gab.“ Ein klärendes Gespräch, das professionell strukturiert wird, führt dann häufig zu einem vertieften Verständnis für einander und zu einer Einigung. „Mediation ist eine Investition in den Familienfrieden.“
Typische Konstellationen für einen Erbkonflikt sind laut Etzel Auseinandersetzungen zwischen Geschwistern, die im Testament oder zu Lebzeiten ungleich behandelt wurden und zwischen Kindern aus einer früheren Ehe mit der letzten Ehefrau des Vaters. Nach Erfahrung von Ursel Etzel lassen sich 95 Prozent aller Erbstreitigkeiten ohne Gerichtsverfahren lösen – die restlichen 5 Prozent sind allerdings oft sehr zeit- und kostenintensiv.
Stephan Konrad kennt aus seiner Praxis beide Varianten: „Viele sind bereit, sich auf eine Mediation einzulassen“, sagt er. „Viele haben aber auch Rachegelüste, die sie vor Gericht ziehen lässt.“
Praktisch braucht es für eine Erbrechtsmediation vor allem eine Voraussetzung: Die Beteiligten müssen bereit sein, miteinander zu reden. Dann geht es darum, im gemeinsamen Gespräch zu klären, welche Forderungen unbedingt für die einzelnen Teilnehmer erfüllt sein müssen, damit sie zufrieden aus der Mediation gehen können. Und wo sie möglicherweise bereit sind, Abstriche zu machen. Wichtig ist dabei zu verstehen, „was das Interesse hinter der Position des anderen“ ist, sagt Stephan Konrad. Wo die Forderungen des einen erst einmal nur unverschämt wirken, mag sich das Bild ändern, wenn man erfährt, dass er das Geld zum Beispiel für die Rettung seines Betriebs braucht. Möglicherweise entdecken die Konfliktparteien auch, dass manchmal das gleiche Interesse hinter Positionen steht, die auf den ersten Blick sehr unterschiedlich wirken.
Nach Erfahrung von Ursel Wetzel lassen sich 95 Prozent aller Erbstreitigkeiten ohne Gerichtsverfahren lösen. Darüber sollte nicht vergessen werden, dass die Mediation ihre natürlichen Grenzen hat: eine Familientherapie kann und soll sie nicht ersetzen.
Die beiden verbindet, dass die Beteiligten selbst eine Lösung finden sollen. In der Mediation soll nicht der Mediator oder die Mediatorin einen Weg aufzeigen, sondern die Streitenden selbst. „Dann ist es eine Win-win-Situation“, sagt Stephan Konrad. Hilfreich ist es dabei, dass die Medianten die rechtlichen Voraussetzungen ihres Falls überblicken, da der Mediator keine rechtliche Beratung bietet. Etwa, dass das Pflichtteilsrecht auch bei Enterbung Kindern, Ehegatten und Eltern einen Erbanteil sichert.
Nach Einschätzung von Stephan Konrad lassen sich – je nach Hartnäckigkeit der Konfliktparteien – viele Auseinandersetzungen im günstigsten Fall schon nach ein bis drei Sitzungen lösen. Das kann auch bei einem Mediatoren-Stundensatz von 250 bis 300 Euro Geld sparen.
Um Erbstreitigkeiten von vornherein zu vermeiden, raten Mediatoren ohnehin zur Vorsorge: Die künftigen Erblasser sollten frühzeitig das Gespräch mit den Erben suchen. Dann lässt sich noch von Angesicht zu Angesicht und möglichst in voller Runde erklären, warum der Sohn, der die Eltern pflegt, mehr erben soll als die Tochter, die im Ausland lebt und nur selten zu Besuch kommen kann.