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Archiv-Artikel

„Ein langer, steiniger Weg“

RECHTSMITTEL Der Göttinger Anwalt Sven Adam klagt regelmäßig gegen die Datensammlung des Verfassungsschutzes

Sven Adam

■ 38, ist Anwalt in Göttingen und klagt reglemäßig gegen die Datenerhebungen des Verfassungsschutzes. Auch über ihn selbst wurden jahrelang Einträge aufgenommen.

INTERVIEW JAKOB EPLER

taz: Herr Adam, wann beginnt der Verfassungsschutz Daten über bestimmte Personen zu sammeln?

Sven Adam: Im niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz steht, dass „Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung“ der Anlass für eine Beobachtung oder Datenerfassung sein können. Das ist aber ein interpretationsoffener Rechtsbegriff und daraus ergibt sich sehr viel Spielraum.

In Göttingen und Hannover reichte es offenbar aus, Demonstrationen anzumelden. Die Polizei verschickte regelmäßig sogenannte Verlaufsberichte an den Verfassungsschutz. Um was geht es da?

Die Polizei hat viele Informationen über Versammlungen direkt an den Verfassungsschutz weitergeleitet. Darunter waren auch die Namen der Anmelderinnen und Anmelder mit Adressen und Telefonnummern und auch Angaben darüber, welche Medien vor Ort waren. Der Verfassungsschutz hatte also eine Art Informations-Flatrate, ohne dass ersichtlich ist, dass er diese überhaupt angefragt hätte. Der Polizei war dabei auch egal, ob es um kleine Demos mit 20 Leuten ging, eine Antifademo mit 500 Leuten, eine Lichterkette oder eine Mahnwache aus Anlass der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima.

Auch wer den Text unseres Autors auf dieser Seite liest, bekommt den Eindruck, dass der Verfassungsschutz einen schnell und gern in seine Akten aufnimmt. Kommt man da auch genauso einfach wieder raus?

Nein. Das ist mitunter ein langer, steiniger Weg. Es ist uns bisher erst einmal und dann auch erst im Klageverfahren gelungen, jemanden vollständig aus den Akten einer Verfassungsschutzbehörde löschen zu lassen. Die Verfassungsschutzämter löschen jedenfalls nach unseren Erfahrungen so gut wie nie aus eigenem Antrieb heraus, sondern müssen dazu gezwungen werden.

Wer wissen will, ob er beobachtet wird, muss beim Verfassungsschutz eine Anfrage stellen. Doch auch dann erfährt er nicht unbedingt, was genau in den Akten steht. Warum?

Informationen, deren Preisgabe vermeintlich dem Staatswohl zuwider laufen, können genauso gesperrt werden wie solche, die Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes ermöglichen. Häufig soll aber vor allem durch eine Sperre die Identität eines V-Manns oder einer V-Frau geschützt werden. Und deswegen werden mitunter von 300 Seiten einer Akte 250 Seiten nahezu vollständig geschwärzt.

Einen solchen Sperrvermerk gibt es auch im Fall des ehemaligen Göttinger Journalisten Kai Budler. Sie wollten, dass der aufgehoben wird. Warum?

Der Verfassungsschutz hatte aufgezeichnet, an welchen Demonstrationen er als Pressevertreter teilgenommen hatte. Er war dort im Rahmen seiner Berufsausübung als Journalist und da ist offensichtlich nichts Verfassungsfeindliches dran. Wir vermuten, dass das bei den gesperrten Daten genauso ist. Daneben konnten wir allerdings auch beweisen, dass zumindest die „offenen“ Informationen teilweise sogar falsch waren.

Inwiefern?

In zwei Fällen war er nicht bei der Demonstration, in einem Fall war er nicht mal in der Stadt gewesen. Wir konnten also nachweisen, dass wenn es eine Quelle gibt, diese den Verfassungsschutz angelogen hat. Wir haben deswegen gerichtlich geltend gemacht, dass eine lügende Quelle keinen Schutz genießen sollte und wir uns über vermeintliche Vorwürfe gegenüber Herrn Budler verteidigen können sollten.

Zu welchem Schluss kam das Gericht?

Das Bundesverwaltungsgericht hat schließlich verfügt, dass auch eine lügende Quelle Schutz genießt. Die Begründung: Selbst wenn eine lügende Quelle bekannt wird, würden alle anderen Quellen verunsichert werden. Und dann könnte der Verfassungsschutz überhaupt keine Quellen mehr rekrutieren.

Bei Kai Budler hat der Verfassungsschutz wenigstens zugegeben, dass er ihn beobachtet. Die Journalistin Andrea Röpke ist für Recherchen im rechten Milieu bekannt und wurde auch vom Verfassungsschutz beobachtet. Wie war das bei ihr?

Da war das Absurde, dass wir eine Anfrage gestellt haben und sie dann gesagt haben: „Wir haben nichts über Andrea Röpke.“

Die Daten wurden nach der Anfrage gelöscht …

Ja, nach der Anfrage scheint der Behörde die Brisanz der rechtswidrigen Datenerhebung klar geworden zu sein. Die Daten wurden sofort gelöscht. Erst später, nach dem Regierungswechsel in Niedersachsen, wurde öffentlich, dass die Behörde gelogen hatte. Zum Zeitpunkt der Anfrage hatte sie jedenfalls viele Informationen über Andrea Röpke.

Der Fall wurde von Maren Brandenburger öffentlich gemacht, als sie nach dem Regierungswechsel in Niedersachsen an die Spitze des Verfassungsschutzes rückte. Hat sich die Behörde jetzt gefangen und solche Sachen gibt es da nicht mehr?

Nein, das ist eine Verfassungsschutzbehörde. Und die ist von vornherein ein Fremdkörper in einer Demokratie. Also wird es da auch weiterhin rechtswidrige Erhebungen von Daten geben. Es kann allenfalls eingedämmt werden. Absurderweise ist die Tätigkeit des Verfassungsschutzes schon fast darauf angelegt, dass er sich grundgesetzwidrig verhält. Solange das nicht komplett umgekrempelt und eine transparente Behörde geschaffen wird, wird man dagegen immer wieder klagen müssen.