Vom Parasiten zum Wirt

PRESS-SCHLAG Ein Shampoohersteller, der einst mit „Doping für die Haare“ warb, geriert sich nun als Förderer des sauberen Radsports

In diesem Umfeld nehmen sich die Bekenntnisse der jungen deutschen ambitionierten Fahrer wie Marcel Kittel und John Degenkolb, sich einem sauberen Sport verschrieben zu haben, geradezu frömmelnd aus

Gedopt wird im Radsport natürlich nach wie vor. Die meisten Skandale produzierte zuletzt ausgerechnet das Astana-Team um Tour-de-France-Sieger Vincenzo Nibali. In diesem Umfeld nehmen sich die Bekenntnisse der jungen deutschen ambitionierten Fahrer wie Marcel Kittel und John Degenkolb, sich einem sauberen Sport verschrieben zu haben, geradezu frömmelnd aus.

Hat man es da lediglich mit den üblichen Schutzbehauptungen zu tun? Oder ist da tatsächlich eine neue tugendhafte Brüderschaft auf Rädern unterwegs, bei deren Taufe in Berlin sogar Justizminister und Mitschöpfer des Antidopinggesetzes, Heiko Maas, seine Weihen gab.

Wie schwer sich die Vergangenheit abstreifen lässt, illustriert bereits der Sponsor des neuen deutschen Teams. Dass der Shampoohersteller Alpicin jährlich 4 Millionen Euro in den propagierten Neuaufbau des Radsports investieren will, entbehrt nicht einer gewissen Komik.

Zum Leidwesen der Sportfunktionäre schaltete die Firma noch in den skandalträchtigsten Jahren der Tour der France wohlplatziert in den Werbepausen ihre Filmchen mit dem Slogan „Doping für die Haare“, um ihr Produkt gegen Haarausfall zu promoten. Die Marketingabteilung des Bielefelder Unternehmens ließ sich jedoch nie davon abbringen, mit einer positiven Besetzung des Worts Doping Aufmerksamkeit bei den Radsportfans zu generieren. 2009 reisten gar Vertreter der Welt-Antidopingagentur nach Westfalen, um den Shampoohändlern den Werbespruch madig zu machen. Vergeblich. Es war durchaus parasitär, wie es sich die Haarspezialisten in den Wunden des Radsports gemütlich machten. Konsequenterweise nahm Alpecin 2012 auch den diskreditierten Doper Jan Ullrich unter Vertrag – als Werbebotschafter für die Jedermannrennen, welche die Firma finanzierte. Ullrichs Dopingvergangenheit verklärte man damals zum Schicksalsschlag: Sein Beispiel zeige, hieß es damals in einer Pressemitteilung, dass es im Leben nicht immer nur bergauf gehe.“ Nun ist Alpecin zum Geldgeber und Paten eines Projekts geworden, bei dem keiner etwas mit Jan Ullrich zu tun haben will. Es ist der Aufstieg vom Parasiten zum Wirt. Und plötzlich erfreut sich das Unternehmen größter Akzeptanz in der Radsport-Fangemeinde, zu der auch die ARD zählt, welche die Tour der France künftig wieder überträgt. Sie lobte das Engagement von Alpecin und damit auch das eigene als „kluge Investition.“

Das Spiel mit dem Feuer ist in der Welt der Sportwerbung nichts Ungewöhnliches. Der Hauptsponsor der Kalifornienrundfahrt, das größte Etappenrennen in den USA, ist das Biotechnologieunternehmen, welches erstmals künstliches Erythropoetin (Epo) entwickelte. Die Siegerliste des Rennens enthält mit Levi Leipheimer und Floyd Landis auch ausgewiesene Epo-Konsumenten. JOHANNES KOPP