: Fangruppen sauber getrennt
REGIONALLIGA NORD Kiel siegt mit 4:1 gegen den Rivalen Lübeck – zu Prügelszenen kommt es diesmal nicht
Was sagt man am besten, wenn einem ein schwer bewaffneter Polizist mit finsterem Blick den Zutritt zum Bus-Shuttle Richtung Stadion verwehrt? „Gehören Sie einer Fangruppe an?“, will der Mann wissen. „Ich will nur Fußball gucken“ scheint die richtige Antwort gewesen zu sein, denn kurz danach geht es mit fünf Polizisten im Bus sowie Polizeieskorte vorn und hinten ab in Richtung Holstein-Stadion.
Es herrscht höchste Alarmstufe vor dem 119. Landesderby zwischen Holstein Kiel und dem VfB Lübeck. Die beiden Fangruppen haben sich in der wechselhaften Geschichte ihrer Klubs schon manch hässliche Auseinandersetzung geliefert. Als eines der schwärzesten Kapitel des Fußballs in Schleswig-Holstein überhaupt gilt, was beim Landespokalfinale am 4. Juni dieses Jahres passierte: „Fans stürmten den Rasen. Spieler wurden mit Bierbechern beworfen, friedliche Fans beleidigt und eingeschüchtert. Mehr als 70 Personen wurden festgenommen“, fassten die Lübecker Nachrichten das Geschehen zusammen.
Als Konsequenz wurden Hausverbote für 28 Kieler und 31 Lübecker Anhänger per Post versandt, die in einigen Fällen noch mit Meldeauflagen verschärft wurden. 300 Polizisten sorgen an diesem Samstag in Kiel dafür, dass die zahlenmäßig ungefähr gleichstarken Lübecker Ultras von der Ankunft bis zur Abfahrt mit keinem Kieler in Berührung kommen.
„Was, nur alkfrei?“ Ein paar Besucher im Stehplatzbereich neben der Haupttribüne können sich nur schwer mit den Einschränkungen anfreunden. „Dann lieber ‘ne Cola.“ Die Lübecker Fans halten in ihrem ausbruchsicheren Gäste-Zwinger ein Transparent „gegen Stadionverbote und Meldeauflagen“ hoch. Ansonsten bleibt es so ruhig, dass der Stadionsprecher künstlich anheizen muss: „Wir brauchen Stimmung, es ist Derby-Zeit!“ Über die kompletten neunzig Minuten bleiben die Zweikämpfe auf dem Rasen wesentlich giftiger als Sprechchöre auf den Rängen.
Die Kieler Ultras begnügen sich meist damit, die Wellblech-Ummantelung ihrer Kurve zum Klingen zu bringen, die Schmähungen der Lübecker trägt der Wind eher Richtung Förde. Das ändert sich erst, als der Außenseiter aus Lübeck, der nach gutem Saisonstart durch zwei derbe Klatschen ins Mittelfeld zurückgefallen ist, überraschend in Führung geht. Da probieren auch die Lübecker das Material ihrer Behausung aus und rütteln heftig an den Gitterstäben, vor denen die Spieler tanzen.
Bis zur 73. Minute hält Lübecks überragender Torwart Toball die Führung für die Gäste fest, aber dann münzt Kiels Bester, der schnelle Jaroslaw Lindner, mit einem herrlichen Schlenzer die spielerische Überlegenheit endlich in Zählbares um. Danach sind die Dämme gebrochen und die „Schießbude der Liga“ (Lübecks Trainer Peter Schubert) fängt sich noch drei Treffer zum 1:4 ein.
Die Demütigung der Lübecker Anhänger ist perfekt, als der Stadionsprecher den Kieler Sieg im gleichzeitig in Lübeck ausgetragenen Derby der 2. Mannschaften eine Klasse tiefer bekannt gibt. Stumm verlassen sie das Stadion.
Die Kieler Fans werden dagegen feiern, den fünften Sieg in Folge, der ihnen die vorübergehende Tabellenführung und die Hoffnung auf den Aufstieg in die dritte Liga beschert. RALF LORENZEN