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Archiv-Artikel

Free Speech: Bei Gott hört der Spaß auf

USA Die meisten US-Medien zeigen keine „Charlie Hebdo“-Karikaturen – oder nur stark verpixelt

„Wegen ihres absichtlich beleidigenden Inhalts“ zeigt die „New York Times“ die Karikaturen nicht

NEW YORK taz | Wer sich in den USA über die Morde bei Charlie Hebdo empört und zur Verteidigung der Meinungsfreiheit seine Solidarität hinausposaunt, hat die Karikaturen, die das Blatt zugleich weltberühmt und verhasst gemacht haben, oft gar nicht gesehen. Denn viele große Medien haben entschieden, die Bilder nicht zu zeigen.

„Wegen ihres absichtlich beleidigenden Inhalts“ verzichte man darauf, die Bilder zu drucken, begründet die New York Times. „Die Redaktion hat entschieden, diese höchst kontroversen Bilder nicht zu zeigen“, teilt der öffentliche nationale Fernsehsender PBS in seiner Hauptnachrichtensendung mit.

Während europäische Medien darum wetteifern, möglichst viele Bilder von Charlie Hebdo zu reproduzieren, geht in den USA die Selbstzensur quer durch die Medien. Die Nachrichtenagenturen AP und Reuters sowie das Finanzblatt Wall Street Journal bringen gar keine Charlie-Hebdo-Cartoons. Auf ihren Fotos der Mitarbeiter sind allenfalls die oberen Ränder der Zeitung mit dem Namenszug Charlie Hebdo zu sehen. Die darunter befindlichen Cartoons sind abgeschnitten oder mit Bildbeschriftungen unkenntlich gemacht.

Das New Yorker Boulevardblatt Daily News zeigt auf seiner Webseite ein Foto des ermordeten Chefredakteurs Stéphane Charbonnier, der im November 2011 nach dem früheren Anschlag auf seine Redaktion eine Titelseite mit einer Mohammed-Karikatur hochhält. Die Zeichnung ist verpixelt – statt des Propheten sind darauf verschwommene bunte Farbflecke zu sehen.

Die drittgrößte Zeitung des Landes, USA Today, mit immerhin 1,7 Millionen Exemplaren, lud am Tag nach den Morden in Paris einen radikalen Prediger aus London als Gastautor auf ihre Seiten ein. Unter der Überschrift „Warum hat Paris es dem Blatt erlaubt, den Islam zu beleidigen?“ doziert Anjem Choudary über seine Interpretation der Scharia-Regeln. Und zitiert den „Boten Mohammed“ mit diesem Satz: „Wenn jemand einen Propheten beleidigt, töte ihn.“

Von katholischer Seite blasen Fundamentalisten ins selbe Horn. Bill Donohue, Präsident der „Catholic League for Religious and Civil Rights“ erklärt in einem vielfach zitierten Kommentar: „Muslime sind zu Recht wütend.“ Er wirft Charlie Hebdo „Intoleranz“ vor.

Mehr Mut unter den großen nationalen Zeitungen in den USA hat die Washington Post. Sie veröffentlichte eine kleine Mohammed-Karikatur aus der Charia-Hebdo-Ausgabe auf ihrer Meinungsseite, umrahmt von einem Plädoyer für die Meinungsfreiheit. DOROTHEA HAHN