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Archiv-Artikel

Koalitionspolitiker fordern Pflege-TÜV

Experten aus SPD und CDU wollen regelmäßige Benotung von Pflegeheimen und ambulanten Diensten

BERLIN taz ■ Noch bevor der Gesetzentwurf zur Reform der Pflegeversicherung offiziell das Bundesgesundheitsministerium verlassen hat, regt sich in der Koalition Kritik. „Das, was dort zur Kontrolle der Pflegeeinrichtungen vorgesehen ist, reicht nicht aus“, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach gestern der taz. Er forderte eine regelmäßige Überprüfung und Benotung von Pflegeheimen, die öffentlich gemacht werden soll. Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen solle eine Liste zur Verfügung gestellt werden, auf der alle regionalen Anbieter nach verschiedenen Kriterien eingestuft werden. Das könne, so Lauterbach, ein Ranking wie bei der Stiftung Warentest sein.

Damit schloss sich Lauterbach einem Vorschlag von SPD-Fraktionsvize Elke Ferner an, die am Wochenende einen „Pflege-TÜV“ ins Gespräch gebracht hatte. Auch der Pflegeexperte der Union, Willi Zylajew, unterstützt diese Forderung.

Die Sozialexperten reagieren damit auf einen neuen Pflegequalitätsbericht, der am Freitag vorgestellt wurde (die taz berichtete). Danach wird etwa jeder dritte pflegebedürftige alte Mensch in Deutschland nicht angemessen versorgt. Jeder zehnte Patient im Heim und jeder zwanzigste zu Hause leidet nachweisbar unter gravierenden Folgen der Pflegemängel, heißt es in dem Bericht des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen.

Bislang meldet der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) die meisten seiner Kontrollbesuche an, die Einrichtungen werden durchschnittlich alle fünf Jahre überprüft. Die Prüfberichte werden nicht veröffentlicht. Nach den bisherigen Plänen zur Pflegereform soll sich das ändern. Die Prüfungen sollen häufiger erfolgen, die Berichte für alle zugänglich sein.

Nach den Vorstellungen des Union-Pflegeexperten Zylajew muss es aber auch andere Prüfer geben. „Der MDK ist doch an einem Teil der Probleme Schuld“, sagte Zylajew der taz. Denn der MDK ist auch für die Zuteilung der Pflegestufen zuständig. Wenn sich die Situation eines Pflegebedürftigen verschlechtere, so Zylajew, reagiere der MDK viel zu spät. „So kommt es zur Unterversorgung.“ Vorsichtig müsse man bei der Einführung objektiver Beurteilungskriterien für Heime und Pflegedienste vorgehen. „Wenn man zum Beispiel die Quote der Dekubitusfälle auflistet, wird ein Teil der Heime Menschen mit Druckgeschwüren einfach nicht mehr aufnehmen.“ Wie die SPD-Politiker Ferner und Lauterbach fordert auch Zylajew ein konsequenteres Eingreifen bei Heimen und Pflegediensten, die innerhalb einer Frist Mängel nicht abstellen: „Da darf man nicht lange fackeln, die muss man schließen.“ SABINE AM ORDE