: Monster und Verführte
AUFTAKT Sturmumtost eröffnet die AfD die heiße Phase für den Hamburger Wahlkampf. Proteste draußen, aber auch im Saal, ein Kamerateam wird vor die Tür gesetzt. Über den Umgang mit der Pegida-Bewegung ist die Partei weiter uneins
Der stellvertretende Sprecher der AfD, Hans Olaf Henkel, betont immer wieder, dass deren Hamburger Landesverband liberale Werte vertrete.
■ Rechte Verstrickungen aber finden sich auch dort: Mehrere Funktionsträger und Mitglieder kommen aus Parteien wie der Partei Rechtsstaatliche Offensive (Schill-Partei), Die Freiheit, Pro Deutschland, DVU und NPD.
■ Die Bürgerschaftskandidatin Karina Weber war Mitglied in einer Facebook-Gruppe namens „Königreich Vereintes Deutschland“, in der ein Deutschland in den Grenzen von 1937 gefordert wird und die Bundesrepublik als alliiert besetzt gilt. Nachdem Webers Verbandelung bekannt wurde, erklärte die Kandidatin, die Gruppe verlassen zu wollen. AS
VON ANDREAS SPEIT
Draußen tobte der Sturm „Felix“ durch die Straßen. Gegenwind bekam aber auch die „Alternative für Deutschland“ (AfD) zu spüren, die im Souterrain eines Hochhauses in der Hamburger Innenstadt ihren Wahlkampfauftakt abhielt. „AfD fuck off!!!“, hatten Unbekannte außen an das Gebäude projiziert. Drinnen im Saal sah sich Hans-Olaf Henkel genötigt, wegen Protests von seiner Rede abzuweichen: „Das stört mich“, unterbrach der Partei-Promi sich selbst und erklärte seinen Zuhörern, jene, die dazwischenriefen, wüssten nicht, „was sie tun“. Sie seien keine Täter, sie seien Verführte.
Mehr als 400 Menschen waren am Samstagabend ins „Emporio“-Hochhaus gekommen – Interessierte, aber auch Gegner der AfD. Diese hatte große Namen angekündigt, neben dem Hamburger Spitzenkandidaten Jörn Kruse sollten auch Parteigründer Bernd Lucke und der Europaabgeordnete Hans Olaf Henkel, ehemals Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, kommen.
Vor Beginn des eigentlichen Programms ermahnte der Veranstaltungsleiter, der AfD-Bürgerschaftskandidat Detlef Ehlebracht, die Anwesenden: Nur wer einen Sitzplatz habe, dürfe bleiben – Vorschriften der Feuerwehr. Viele derjenigen, die standen, trugen auf ihrer Kleidung den Slogan „Refugees welcome“, zu lesen: „Flüchtlinge willkommen.“ Nur langsam verließen sie den Saal, riefen: „Say it Loud! Say it clear! Refugees are welcome here!“
Dass aber nicht alle gegangen waren, die in der „Alternative“ gerade keine Alternative sehen, zeigte sich während Kruses Rede: Nach den Attentaten in Paris, sagte der Bürgerschafts-Spitzenkandidat, wolle er nicht bloß über Hamburger Schul- und Verkehrsprobleme reden. Der Großteil der Muslime hätte sich integriert. Kopftuch und Burka seien für ihn aber „Symbole der Integrationsverweigerung“, sagte Kruse und fragte, was schieflaufe in den Köpfen von Männern, die ihre Frauen und Mädchen zwängen, als „Schwarze Monster“ herumzulaufen – „das ist menschenverachtend!“ wurde aus dem Publikum dazwischengerufen.
„Bitte lauter“, wurde dann verlangt, als Henkel das Wort ergriff. „Bitte leiser“, baten andere. Der frei sprechende Henkel unterbrach dann aber recht bald seine Rede: Ein Kamerateam war in Streit mit dem AfD-Kommunalpolitiker Bodo Adolphi geraten. Das frühere Mitglied der Schill-Partei unterstellte dem Team, Fotos „für die Antifa“ zu machen, lautstarker Wortwechsel folgte. „Lügenpresse“ riefen einzelne im Saal – und „auf die Fresse“.
Polizeibeamte, die vor dem Gebäude aufgestellt waren, kamen und geleiteten das Team hinaus. Von den beiden Männern habe nur einer einen Presseausweis gehabt, sagte Veranstaltungsleiter Ehlebracht. Erneut setzte Henkel an, zu erklären, es dürfe kein Tabu sein, über die „Schattenseiten des Islams“ zu reden. Jedoch liege Pegida falsch, von der Islamisierung des Abendlandes zu sprechen, so Henkel – wenn seine Parteifreunde Frauke Petry und Alexander Gauland auf diese Bewegung zugingen, sei das aber richtig: um zu sehen, wer da auf der Straße sei.
Viel Applaus erhielt AfD-Gründer Bernd Lucke. In seiner Rede unterstellte er Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), keinen Kompass für Wirtschafts- und Europapolitik zu haben. Die Krisen aber verunsicherten die Bevölkerung, so Lucke: „Ich erwähne nur mal Pegida.“
AfD-intern sei die Auseinandersetzung um die Gruppe noch nicht ausgestanden, räumte Henkel gegenüber der taz ein. Vor Veranstaltungsbeginn sagte er, die Partei sei im Osten „anders aufgestellt“. Und er betonte, dass sie dringend nur noch einen Sprecher haben sollte: Bernd Lucke. „Wir haben ja auch keine drei Bundestrainer“, so Henkel – „dann wären wir auch nicht Weltmeister geworden.“
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