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Archiv-Artikel

SPD hat Angst vor der eigenen Schwäche

Trotz heftigen Streits wollen sich die Sozialdemokraten in Sachsen nicht vom großen Koalitionspartner CDU trennen

DRESDEN taz ■ Trotz der durch den Notverkauf der Landesbank ausgelösten Regierungskrise in Sachsen erscheint ein Bruch der CDU-SPD-Koalition unwahrscheinlich. Das sagten gestern führende Sozialdemokraten.

Auch die vom FDP-Fraktionsvorsitzenden Holger Zastrow geforderten Neuwahlen stehen vor großen Hürden. Am heutigen Dienstag werden dazu wichtige Entscheidungen getroffen. Linke und Grüne im Landtag haben Fraktionssitzungen anberaumt, das Präsidium des SPD-Landesverbandes tritt am Abend zusammen.

Die SPD fühlt sich durch die herablassende Art der CDU, insbesondere durch Äußerungen des Ministerpräsidenten Georg Milbradt (CDU) gedemütigt. Die Union habe sich noch immer nicht daran gewöhnt, 2004 die absolute Regierungsmehrheit verloren zu haben, zürnen SPD-Politiker. Milbradt hatte schon auf einem CDU-Sonderparteitag 2004 für die Annahme des Koalitionsvertrages mit dem Argument geworben, dass er auf die SPD-Ministerien selbst genügend Durchgriff haben werde.

Beim Debakel der Landesbank war für SPD-Fraktionschef Cornelius Weiss die Geduld vieler seiner Abgeordneter ausgereizt. Der frühere sächsische Innenminister Heinz Eggert (CDU) warf der SPD hingegen vor, sich „bei Schwierigkeiten medienwirksam abzusetzen“ und nur bei Erfolgen gemeinsam aufzutreten. Ministerpräsident Milbradt machte in der Vergangenheit bereits den SPD-Abgeordneten Karl Nolle für das schlechte Koalitionsklima verantwortlich. Man könne nicht zugleich Opposition und Regierung spielen, sagte er. Nolle hatte unter anderem Milbradt als „Architekten des Strategiewechsels“ angegriffen. Er habe die Landesbank Sachsens zu riskanten Kapitalmarktgeschäften verleitet, die zum Notverkauf geführt haben.

Die SPD will dennoch durchhalten. Es hätte öfter „geknirscht“, sagte Generalsekretär Dirk Panter. Man habe aber entschieden, auch in der aktuellen Krise „die Dinge intern mit der CDU zu klären“. „Genügend Kitt“ sieht auch Fraktionsgeschäftsführer Kai Kerkhof und möchte wieder „mehr gute Nachrichten produzieren“. Fraktionschef Weiss will sein Amt mittelfristig abgeben. Der taz sagte er: „Der Maschinenmaat geht nicht von seinem Arbeitsplatz weg, wenn das Schiff in schwerer See ist. Sobald wir in ruhiges Fahrwasser kommen, sobald also die erneute Regierungskrise halbwegs beendet ist, muss ich meiner Fraktion etwas mitteilen.“ Er verneinte die Frage, ob er an seinem 75. Geburtstag im nächsten März noch die SPD-Fraktion führen werde.

Neben der FDP erwägt auch Die Linke im Landtag Neuwahlen. Einen solchen Antrag zur Selbstauflösung des Landtages müsste ein Drittel der Abgeordneten unterschreiben, zwei Drittel müssten zustimmen. Wenn seine Genossen dafür sind, will Fraktionschef André Hahn Grüne, FDP und sogar SPD anschreiben und um Unterstützung bitten. Grüne und FDP hatten aber bereits signalisiert, dass sie eine „Einheitsfrontstrategie“ dankend ablehnen. Lieber wäre Hahn ohnehin eine Minderheitsregierung mit wechselnden Mehrheiten, „bei der man nicht fünf Jahre sklavisch aneinandergekettet ist“. Ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Milbradt ist unmöglich, da man dafür die NPD einbinden müsste.

Die Einstellung zu Neuwahlen wird auch stark von den aktuellen Meinungsumfragen beeinflusst. Sie sehen die CDU in einem Tief von 38 Prozent, während die SPD mit 10, die Grünen und die FDP mit 8 und die NPD mit 7 Prozent ihr Ergebnis von 2004 etwa wiederholen würden. Die Koalition von CDU und SPD hätte keine Mehrheit mehr. Nutznießer ist Die Linke, die auf 29 Prozent klettert. MICHAEL BARTSCH, GEORG LÖWISCH

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